0505 - Der japanische Geist
Sie verließen den Raum, und Makoi wollte die nächste Tür öffnen, aber Suko legte ihm eine Hand auf die Schulter. »Gibt es keinen unter Ihren Leuten, der englisch spricht?«
»Nein. Oder so gut wie nicht. Ein paar Brocken, die jemand aufgeschnappt hat, mehr nicht.«
»Und chinesisch?«
»Sie wissen doch selbst, daß es zahlreiche Dialekte in Ihrem Heimatland gibt. Ob wir da mehr Glück haben…«
»Gibt es jemand?«
»Ja, ich glaube.«
»Dann lassen Sie uns zu ihm gehen.«
Es war dem Japaner nicht recht, das sah Suko ihm an. Doch darauf konnte er keine Rücksicht nehmen. Er wollte nicht länger im dunkeln tappen. Irgendwo mußte es eine Chance geben, um an den Geist heranzukommen, und wenn sie noch so gering war.
Sie gingen einige Türen weiter. »Der Mann hat eine chinesische Mutter gehabt!« erklärte Makoi.
»Wie heißt er selbst?«
»Jukata.«
»Gut.«
Jukata lag nicht auf seiner Matte. Er hockte im Schneidersitz mit übereinandergeschlagenen Beinen auf dem Boden und war in tiefer Meditation versunken: Der Blick seiner Augen sagte Suko, daß dieser Jukata sich geistig in einer anderen Welt befand.
»Er meditiert immer um diese Zeit«, erklärte Makoi. »Es ist seine Art der Vorbereitung für den nächsten Kampf.«
»Kämpft er denn morgen wieder?«
»Ja, für den Abend sind die ersten Kämpfe angesetzt.« Makoi räusperte sich. »Es ist nicht gut, wenn wir ihn stören. Ich weiß nicht, wie er reagiert.«
»Tun Sie es trotzdem.«
Der Japaner schritt auf den Ringer zu, der seine Hände wie zum Gebet mit den Handflächen gegeneinander gelegt hatte. Er hielt die Augen zwar offen, sein Blick aber war in die Tiefe gerichtet, als wollte er in seine Seele schauen.
Vor ihm ging Makoi in die Knie. Sehr leise sprach er ihn an. Die Stimme war nur mehr ein Flüstern, sie erreichte den Mann wie ein gewisperter Hauch.
Jukata hörte nicht. Er blieb in seiner seelischen Starre. Es dauerte ungefähr eine halbe Minute, bis er »aufwachte«. Die Augen brauchte er nicht zu öffnen, aber sein Blick bekam wieder Leben. Starr schaute er Makoi ins Gesicht.
Der redete auf ihn ein. Suko erkannte am Klang der Stimme, daß sich der Japaner wohl entschuldigte.
Jukata nahm die Entschuldigung an. Als er Sukos Namen hörte, drehte er den Kopf.
Der Inspektor wich dem Blick nicht aus. Feindschaft las er nicht in Jukatas Augen, auch keine Freundlichkeit, sie blieben einfach völlig neutral.
Makoi trat zurück. »Den Rest müssen Sie erledigen, Inspektor. Ich habe ihm erklärt, daß Sie ihn dringend sprechen wollen. Vielleicht kann er Ihnen helfen.«
»Das hoffe ich.« Suko sah, daß Jukata die Arme senkte. Auch er trug ein Gewand. Es schimmerte in einem grüngoldenen Ton. Suko nahm die gleiche Haltung ein wie Jukata. Sie tasteten sich auch geistig ab, suchten nach Gemeinsamkeiten und auch nach Dingen, die sie trennten.
Minuten verrannen. Makoi hatte sich zurückgezogen. Er stand im Gang, die Tür war nicht völlig geschlossen. Schließlich übernahm der Ringer das Wort.
»Ich habe durch meinen Geist gefühlt und dich abgetastet, Suko. Ich weiß jetzt, daß du nicht als Feind zu mir gekommen bist und mich gestört hast.«
»Ja, ich bin ein Freund und möchte dir gern helfen.«
»Wobei willst du mir zur Seite stehen?« Die beiden Männer sprachen jetzt chinesisch.
»Es ist etwas unterwegs«, sagte Suko, »das für uns Menschen nicht als gut bezeichnet werden kann.«
Zum erstenmal entdeckte Suko Regung in den Augen des Sumo-Ringers. »Erkläre es genauer.«
»Das Böse lauert. Es trägt einen Namen. Ich habe von dem japanischen Geist gehört, der sein Reich und seine Dimension verlassen hat, um hier auf der Erde seinen grausamen Taten nachzugehen. Er ist der Atemräuber und hat seinem Namen bereits alle Ehre gemacht. Verstehst du das? Es hat Tote gegeben. Dein Freund Tisho war der erste. Er starb nicht an einem Herzschlag.«
»Ich weiß es!«
Diese drei Worte überraschten Suko. Er hatte plötzlich das Gefühl, genau dem richtigen Mann begegnet zu sein.
»Woher hast du deine Kenntnisse?«
»Ich spüre ihn. Ich meditiere jeden Abend. Schon seit Tagen spürte ich, daß uns etwas belauert, uns umgibt. Es ist aus einer anderen Welt gekommen, und es hätte nicht kommen sollen. Hier ist nicht der richtige Platz für Geister wie ihn.«
»Dann hast du von dem japanischen Geist gehört?«
»Ja, er heißt Yomo-Zan.«
Das war für Suko neu. »Und was hat er getan?«
»Es war ein Riese, er tat Böses und lebte, weil er
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