0505 - Der japanische Geist
Möglicherweise in einer anderen Dimension, in einem anderen Reich, einer fernen Welt. Aber man hat ihn hergeholt, auf welche Weise auch immer. Jetzt ist er da.«
»Wie sollte man ihn denn geholt haben?«
»Durch eine Beschwörung. Wie Sie wissen, Mr. Makoi, kann man Geister auch beschwören.«
»Das glaube ich Ihnen sogar.«
»Sehen Sie. Und denken Sie daran, welche Geschichten es in ihrer Mythologie gibt, dann kommen Sie der Sache schon allmählich näher. Jemand hat es geschafft und den japanischen Geist aus seiner Dimension hervorgeholt. Der Meinung bin ich. Um überleben zu können, muß er den Menschen den Atem rauben.«
Das war harte Tobak für den Japaner. Suko ließ Makoi Zeit, darüber nachzudenken. »Gesetzt den Fall, Sie haben recht, Inspektor. Weshalb hat sich der Geist Tisho geholt und nicht Naginata? Das hätte er auch machen können.«
»Richtig. Ich rechne damit, daß Naginata und der Geist zusammenarbeiten.«
»Wie auch Igeno?«
»So ist es. Dann ist mir noch etwas aufgefallen. Als ich ihn sah, bemerkte ich, daß er aus zwei Personen bestand. Er hat sich also teilen können. Einmal war es der Geist, zum anderen sah ich eine furchtbare Gestalt, die mich an einen alten Samurai erinnerte. Er war halbverwest. Von seinem Schädel strahlte ein grünliches Leuchten ab. Und als er erschien, umgab ihn der Geist als Flammenmeer, das keine Hitze abstrahlte.«
Makoi wischte über seine Augen. »Mann, Inspektor, Sie können mir viel erzählen. Ich… ich habe das Gefühl, bitte entschuldigen Sie, hier auf den Arm genommen zu werden.«
»Das würde ich gern tun. Leider klappt das nicht, Mr. Makoi. Was ich Ihnen zu berichten habe, sind Tatsachen.« Suko schaute auf die Uhr. »Ich möchte Sie nicht drängen, aber wären Sie damit einverstanden, wenn ich mich in den anderen Räumen einmal umschaue, vielleicht auch mit den Ringern rede.«
»Ja, natürlich. Obwohl ich fest daran glaube, daß Sie Ihren Geist hier bei uns nicht finden werden.«
»Das möchte ich noch dahingestellt sein lassen«, erwiderte der Inspektor.
Die beiden Männer verließen das Büro. Sie traten in den kahlen, breiten Gang. Sukos Erklärungen waren bei Makoi nicht ohne Eindruck geblieben. Der Mann schaute sich vorsichtig um, als wollte er versuchen, den Geist zu finden. »Sie haben mich richtiggehend unsicher gemacht«, erklärte er mit leiser Stimme.
»Ja, das kommt vor.«
Sie gingen in Richtung Arena, erreichten dann einen Quergang und blieben vor einer Treppe stehen. »Es geht noch eine Etage tiefer, Inspektor. Dort unten werden Sie die Räume finden, in denen unsere Ringer untergebracht worden sind.« Makoi schaute auf seine Uhr.
»Ich verstehe nicht, wo Igeno bleibt. Wäre er hier, würde ich mich wohler fühlen.«
»Sie hätten zumindest weniger Verantwortung.«
»Das stimmt allerdings.«
Die Treppe war breit und bestand aus Betonstufen. Ein Quergang bildete praktisch ihr Ende.
Sie wandten sich nach links. Dort lagen die einzelnen Zimmer. Dazwischen immer wieder kleine Duschräume.
»Wo wollen wir anfangen?« fragte der Japaner.
»Das können Sie bestimmen.«
Makoi klopfte an die erste Tür. Er wartete die Aufforderung zum Eintreten nicht erst ab, öffnete und ließ Suko den Vortritt. Der Raum glich mehr einer Kammer. Sie war spartanisch eingerichtet. Ihr Bewohner lag nicht auf dem Bett. Er hatte es sich auf dem Boden bequem gemacht. Unter seinem Körper lag eine Bastmatte. Die Kampfkleidung hatte der Ringer abgelegt. Er trug dafür ein langes Gewand, dessen Stoff ihn wie eine Fahne umflatterte. Aus dem hohen Kragen schaute ein kleiner Kopf hervor. Die Arme lagen auf dem Bauch. Zwischen den fleischigen Fingern hielt der Ringer eine kleine Puppe, mit der er spielte und sprach. Die beiden Männer nahm er kaum zur Kenntnis.
Makoi hob wie entschuldigend die Schultern. »Ich habe Ihnen ja gesagt, Inspektor, die Ringer sind manchmal wie Kinder. Hier können Sie es wieder erkennen.«
»Ja, das sehe ich.«
»Wollen Sie mit ihm reden?«
»Versuchen wir es.«
Makoi spielte den Übersetzer. Er erklärte dem Ringer, weshalb Suko gekommen war. Der Sumo drehte nicht einmal den Kopf, ei schüttelte ihn nur und zischte etwas.
Makoi wandte sich mit einem bedauernden Ausdruck im Blick wieder an Suko. »Es tut mir leid, er will in Ruhe gelassen werden. Er kennt keinen Geist.«
»Meinen Sie?«
»Weshalb sollte er lügen?«
Suko traute dem Braten nicht so recht, bat aber, mit einem zweiten Ringer reden zu dürfen.
»Gern.«
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