0506 - Das unheimliche Grab
sagte Will Mallmann und lachte laut.
Der Rumäne holte sich etwas zu trinken und nahm die Flaschen mit auf das Zimmer. Er hatte sich auch noch einen Flachmann mit Schnaps besorgt. Obstler, der jagte einem die Zehennägel in die Höhe.
»Den… den brauche ich zum Einschlafen«, erklärte er mit einem verlegenen Grinsen.
»Bitte, Sie brauchen ja nicht zu fahren«, sagte Will.
»Wann geht es morgen denn los?«
Wir winkten gemeinsam ab. »Das wissen wir noch nicht. Schlafen Sie sich aus.«
»Gute Nacht.«
Wir grüßten zurück und gingen in das Restaurant. »Ein Bier könnte ich auch vertragen«, sagte der Kommissar, »als wir die gemütlich eingerichtete Gaststube betraten.«
»Frag mich mal.«
Wenn ich in Bayern bin, dann will ich auf ein gepflegtes Weizen nicht verzichten. Auch hier bekamen wir es von einer netten Bedienung im Trachtenkleid serviert, und als ich den ersten Schluck genommen hatte, verdrehte ich die Augen.
»Was ist los?« fragte Will.
Mit dem Handrücken wischte ich den Schaum von meinen Lippen. »Das ist so, als hätte mir ein Engelchen aufs Herz gemacht. Meine Güte, tut das gut. Ein Genuß.«
Ich nahm noch einen Schluck, und da war das große Glas schon fast leer. Die Hitze und die lange Fahrt hatten uns regelrecht ausgedörrt. Auch Will Mallmann trank, und wir bestellten sofort zwei neue Halbe.
Der Kommissar grinste verschmitzt. »Du glaubst gar nicht, John, wie ich mich freue, daß wir uns mal allein unterhalten können. Und das noch bei einem Bierchen. Wie ist es dir in der letzten Zeit so ergangen?«
»Tja, das sind lange Geschichten.«
Ich erzählte sie noch nicht, denn die Bedienung erkundigte sich, ob wir etwas essen wollten, die Küche würde bald schließen.
»Was gibt es denn?«
»Wir haben noch Schweinebraten von heute mittag. Aufgewärmt schmeckt er gut.«
Will nickte. »Und besonders das Kraut.«
»Auch das.«
Wir bestellten ihn. Während wir warteten, berichtete ich Will Mallmann von den vergangenen Fällen und natürlich auch davon, daß es mir gelungen war, das Geheimnis des Dunklen Grals zu lüften.
Als der Kommissar hörte, daß der Gral und der Kelch des Feuers identisch waren, schüttelte er den Kopf.
»So etwas ist ja kaum zu glauben. Und? Hast du schon Erfolge erzielt?«
»Noch nicht, aber es wird die Zeit kommen, wo ich ihn voll einsetzen kann.«
Zunächst kam unser Essen. Das schmeckte tatsächlich hervorragend, die Kellnerin hatte nicht gelogen. Wir vergaßen den Dienst und waren nur mehr Privatleute…
***
Dimitrou hatte in seinem zweiundvierzigjährigen Leben noch nie so komfortabel gewohnt wie in diesem kleinen Hotel. Sein Zimmer besaß nicht nur einen zur Rückseite führenden Balkon, es war auch eine Dusche vorhanden und eine Toilette.
Die Dusche tat ihm gut. Er aalte sich unter den Strahlen. Dann zog er sich frische Sachen an und öffnete die Balkontür bis zum Anschlag.
Frische, würzige Luft drang in das Zimmer. Er stellte sich hinter das Geländer und schaute zu den Bergen und Hügeln, die er noch als wellige Schatten erkennen konnte. Dazwischen aber funkelten Lichter auf den dunklen Hängen wie ferne Sterne.
Über dem Ort lag eine wunderbare Ruhe. Hier konnte man tief durchatmen und auch genießen. Dem Rumänen kamen die Ereignisse der Vergangenheit wie ein böser Traum vor.
Seinen Durst hatte er noch nicht gelöscht. Auf dem Balkon stand ein kleiner Tisch. Den zweiten Stuhl brauchte er nicht. Er faltete ihn zusammen und stellte ihn an die Wand. Dann holte er seine Getränke und die Zigaretten.
Den Obstler trank er aus der Flasche. Er rann durch seine Kehle wie ein Feuer und trieb ihm fast die Tränen in die Augen. Dabei war er einiges gewohnt, was scharfen Alkohol anging. Der zweite Schluck war schon besser.
Tief atmete er durch. Wieder schaute er in den Garten. Dahinter lag ein Stück Wald. Er wirkte in der Dunkelheit verschwommen. Es kam daher, weil Nebelschwaden vom Boden in die Höhe stiegen und wie Vorhänge durch den Wald trieben.
Dimitrou hatte die Bierflasche geöffnet. Sie war von außen beschlagen, aber noch kalt. Ein Glas brauchte er auch hier nicht. Er trank aus der Flasche. Danach nahm er wieder einen Schnaps.
Dimitrou streckte die Beine aus. Es war nicht kalt, auch wenn ein sanfter Wind von den Bergen her wehte und die Gesichter der Menschen streichelte.
Noch eine Stunde bis zur Tageswende. Dimitrou hatte abschalten wollen, das war ihm nicht gelungen. Noch immer dachte er an die Vorgänge des vergangenen Tages, und
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