051 - Die gelbe Schlange
jenseitigen Ufer hörte Clifford Geschnatter und aufgeregte Kommandos. Seine Verfolger hatten bemerkt, daß er ihnen entkommen war und stellten Vermutungen an, welchen Weg er wohl genommen habe.
Vorsichtig schlich er über den unordentlichen Werftplatz, bis er zu einem hohen Tor kam. Als er darüberklettern wollte, entdeckte er, daß es mit einem Kranz scharfer, rostiger Eisenspitzen geschützt war, die ein Übersteigen unmöglich machten. Hastig suchte er nach einer anderen Möglichkeit zu entkommen und fand schließlich eine kleine, offene Tür.
Doch die Gefahr war noch nicht vorüber, wie er erkannte, als er durch ein wahres Labyrinth von engen Gassen rannte und schließlich eine schmutzige Straße erreichte, die nur schwach von trüben Laternen beleuchtet wurde. Er war kaum ein paar Schritte gegangen, als am Ende der Straße die Scheinwerfer eines Autos auftauchten. Sofort versteckte Clifford sich hinter einem großen Holzstapel. Der Wagen fuhr langsam vorbei, und Clifford sah, daß der Beifahrer die Straße zu beiden Seiten mit einer starken Handlampe absuchte. Wenige Schritte hinter seinem Versteck hielt das Auto an, und er hörte das zischende Gewisper, das er so gut kannte. Clifford stand unbeweglich, die entsicherte Waffe in seiner Hand - aber der Wagen fuhr weiter. Da hastete er den Weg zurück, den er gekommen war, erreichte die Kanalbrücke ohne weiteren Zwischenfall und sah zu seiner großen Erleichterung zwei Polizeibeamte, die hier auf und ab gingen. Einer richtete seine Lampe auf ihn:
»Hallo, Freund, waren Sie im Wasser?«
»Ja, ich bin hineingefallen«, antwortete er nur kurz und ging ohne sonstige Erklärung weiter.
Am Ende der Glengall Road wartete sein Wagen, und eine halbe Stunde später gönnte er sich bereits ein heißes Bad.
In dieser Nacht mußte er über vieles nachdenken, ganz besonders aber über die lange Reihe der Fahrgestelle, die er unter dem.Dach des Schuppens gesehen hatte. Er hatte erkannt, daß es Lafetten von Schnellfeuergeschützen waren, und zerbrach sich den Kopf darüber, wozu Mr. Fing Su sie verwenden wollte.
14
Mr. Stephen Narth war gewöhnlich nicht gerade der gemütlichste Teilnehmer am Frühstückstisch. Joan fürchtete sich fast vor dieser frühen Mahlzeit, wenn der Schinken zu salzig und der Kaffee zu stark war, und Mr. Narth über die hohen Haushaltskosten nörgelte.
Seit jenem Zwischenfall bei der Einladung zum Lunch hatte sich sein Verhalten aber auffallend geändert, und er war noch niemals so liebenswürdig zu dem jungen Mädchen gewesen, wie an diesem siebenten Morgen nach der Ankunft des sonderbaren Mannes aus China.
»Ich habe gehört, daß das Haus deines Freundes jetzt fertig und sogar schon möbliert ist«, begann er jovial. »Ich denke, wir werden jetzt das Aufgebot für dich bestellen, Joan. Wo willst du getraut werden?«
Sie sah ihn entgeistert an.
Joan hatte den Wiederaufbau von Slaters Cottage nicht in Beziehung zu ihrer eigenen Heirat gesehen. Tatsächlich hatte sie ja auch Cliff nicht wieder getroffen, seit er sie an jenem Nachmittag von London nach Hause gebracht hatte. Irgendwie fühlte sie sich unbehaglich und litt unter dem veränderten Verhalten ihres Verlobten. Die Leere, die dem plötzlichen Eingreifen in ihr Leben gefolgt war, verwirrte sie und machte sie ratlos.
»Ich habe Mr. Lynne nicht mehr wiedergesehen«, antwortete sie leise, »und ich bin auch gar nicht sicher, daß er es ernst meint mit unserer Heirat.«
Mr. Narths Benehmen änderte sich schlagartig.
»Nicht ernst? Unsinn!« brach er los. »Schließlich ist ja alles abgemacht. Ich werde mit ihm sprechen und den Tag festsetzen. Du wirst in der Kirche von Sunningdale getraut, und Letty und Mabel sind deine Brautjungfern. Übrigens ist es wohl an der Zeit, daß ihr in die Stadt fahrt und euch um eure Kleider kümmert. Wir werden nur eine kleine Hochzeitsfeier mit wenigen Gästen veranstalten. Du hattest doch mit ihm geplaudert, als du vom - hm - Büro zurückgefahren bist?«
Es war das erstemal, daß Narth die Einladung zum Lunch erwähnte.
»Hat er dir gesagt, wie hoch sein Monatsgehalt ist?«
»Nein«, erwiderte sie zurückhaltend.
»Hängt nicht die Höhe seines Gehaltes von dir ab, Vater?« meinte Mabel, die sich gerade Butter auf ihren Toast strich. »Natürlich müssen wir ihn behalten: es wäre ja auch ein schmutziger Trick, ihn erst Joan heiraten zu lassen und ihn dann hinauszuwerfen. Aber ich denke, du solltest ihn dir wirklich einmal vornehmen, seine Manieren
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