051 - Die gelbe Schlange
Sessel als eher ein Thron zu sein schien.
»Ich komme mir vor wie die Königin von Saba, die Salomon besucht«, lächelte sie amüsiert und vergaß für den Augenblick ihre Unruhe.
Der Chinese verneigte sich tief. Anscheinend nahm er ihre Worte für ein Kompliment.
»Sie sind wahrhaftig schöner als die Königin von Saba und würdig, Salomo, dem Sohne Davids, zu begegnen. Besäße ich die Reichtümer Sanheribs, des Königs von Askalon, so würde ich Ihnen die Schätze von Assur und Babylon zu Füßen legen.«
Joan war bestürzt über dies überspannte Geschwätz.
»Wann kommt Mr. Narth?« lenkte sie ab.
Fing Su blickte sie an und biß sich nachdenklich auf die dünne Unterlippe.
»Er kommt überhaupt nicht«, antwortete er. »Die Wahrheit ist, daß er es für ratsam hielt, wenn ich allein mit Ihnen über unseren Freund Lynne spräche. Als wir uns das letztemal begegneten, gab es eine peinliche Szene, wie Sie sich erinnern werden - nicht durch meine Schuld. Mr. Lynne hegt unfreundliche Gefühle gegen mich, aber er hat keinen Grund dazu. Mein hochverehrter Vater« - er beugte fast unmerklich die Knie - »hat viel für den Aufbau der Yünnan-Gesellschaft getan. Ohne seine Hilfe wären die Konzessionen wohl nie erteilt worden.«
Joan war nicht bereit, sich die Geschichte der Yünnan-Gesellschaft anzuhören. Tatsächlich war sie nahe daran, sich zu fürchten, und sie erhob sich aus ihrem riesigen Sessel.
»Ich kenne Mr. Lynne kaum genug, um über ihn zu sprechen«, begann sie.
»Und trotzdem wollen Sie ihn heiraten?«
Sie errötete mehr aus Ärger als aus Verwirrung.
»Das geht nur mich allein etwas an, Mr. Fing«, gab sie scharf zurück, und er lächelte.
»Fing Su? Gut, ich ziehe diesen Namen vor. St. Clay klingt schwerfällig und ein bißchen dumm.«
Er betrachtete sie zerstreut.
»Sie sind ein gescheites Mädchen. Aus Ihrem Gesicht spricht Intelligenz; Sie sind anpassungsfähig. Tatsächlich haben Sie alle Eigenschaften, die ich von einem Assistenten erwarte - und ich habe viele Assistenten, gelbe und weiße.«
»Ich verstehe Sie nicht«, sagte Joan.
»Lassen Sie mich es Ihnen erklären. Ich habe einen bestimmten Grund, die Freundschaft - oder mindestens die Neutralität - Clifford Lynnes zu wünschen. Sie könnten mir dabei ganz besonders behilflich sein. Verstehen Sie etwas von der Börse, Miss Bray?«
»Von der Börse?« fragte sie erstaunt. »Nein, fast gar nichts.«
»Von der Yünnan-Gesellschaft haben Sie aber doch schon gehört?«
Sie nickte.
»Ja, Mr. Narth erzählte mir gestern morgen, daß die Aktien mit 2,75 notiert würden.«
»Die gewöhnlichen Aktien«, verbesserte er sie höflich. »Die Gründeraktien sind niemals an der Börse gehandelt worden.«
Joan lächelte.
»Ich glaube nicht, daß ich sie unterscheiden könnte, wenn ich sie sähe«, erklärte sie offen.
»Es gibt im ganzen neunundvierzjg Gründeraktien.« Der Chinese sprach mit großer Überlegung und betonte jedes Wort. »Und eine davon will ich kaufen.«
Sie starrte ihn erstaunt an.
»Eine?« wiederholte sie.
Er nickte.
»Nur eine. Sie haben keinen Marktwert. Ursprünglich kosteten sie ein Pfund, heute bin ich bereit, für diese eine Aktie eine Million Pfund zu bezahlen.«
Joan konnte nur ratlos den Kopf schütteln.
»Ich fürchte, ich kann Ihnen nicht helfen - es sei denn«, ihr schoß ein Gedanke durch den Kopf, »Sie würden eine von Mr. Narth kaufen.«
Der gelbe Mann lächelte belustigt.
»Meine liebe junge Dame, Joseph Bray hat Mr. Narth keine Gründeraktien vermacht; er hat ihm lediglich gewöhnliche Aktien hinterlassen. Die einzige Person, von der man Gründeraktien erwerben könnte, ist Ihr Verlobter, Clifford Lynne. Verschaffen Sie mir dieses eine Papier, und ich werde Ihnen eine Million Pfund dafür geben. Sie könnten dann auf die erzwungene Heirat verzichten. Eine Million Pfund! Denken Sie nur, Miss Bray - diese riesige Summe würde Sie frei und unabhängig machen, auch von Narth und Lynne! Überlegen Sie sich die Sache! Ich möchte nicht, daß Sie sich sofort entscheiden. Und bitte, denken Sie daran, daß Sie damit im Sinne meines liebsten väterlichen Freundes handeln würden, der nun - leider - nicht mehr lebt.«
Er ging zur Tür und öffnete sie mit Schwung. Offenbar war die Unterredung beendet.
»Sie denken darüber nach? Und wollen Sie so freundlich sein, alles, was ich Ihnen gesagt habe, vertraulich zu behandeln! Denken Sie daran, an dem Tag, an dem Sie mir die Gründeraktie aushändigen,
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