051 - Die gelbe Schlange
ansetzen.«
Der Major stand auf, ging zum Kamin und schnippte die Asche seiner Zigarre ab.
»In dem Geschäft ist Geld für Sie drin, Narth, und es wird nur eins von Ihnen verlangt - daß Sie treu zur Sache stehen. Fing Su denkt, daß Sie ihm noch recht nützlich sein können.« Spedwell sah den anderen hintergründig an. »Möglicherweise können Sie sogar Leggats Stelle einnehmen.«
Stephen Narth blickte rasch auf.
»Leggat? Ich dachte, er sei ein guter Freund von Ihnen.«
»Er ist es und ist es auch nicht«, meinte Spedwell vorsichtig. »Fing Su argwöhnt - nun, es ist in letzter Zeit einiges durchgesickert und an die falsche Adresse gekommen.« Und dann abrupt: »Lynne ist in London. Ich vermute, Sie wissen das?«
»Ich kümmere mich nicht darum, wo er sich aufhält«, gab Mr. Narth mit einer gewissen Schärfe zurück.
»Ich dachte, Sie täten es«, meinte der andere gelassen.
Der Major hätte noch hinzufügen können, daß er selbst weit mehr an Clifford Lynnes Absichten interessiert war, als dieser unberechenbare Mann hätte ahnen können. Und es gab einen bestimmten Grund für dieses Interesse: Fing Su hatte einen neuen Plan ausgeheckt - einen so genialen Plan, daß nur ein einziger Mann Joan Bray retten konnte, und dieser Mann war der Schnellschütze aus Siangtan.
23
Clifford kam in seine Wohnung in Mayfair, um schnell zu lunchen, und er kam allein. Er hatte Joe Bray streng befohlen, sich verborgen zu halten, eine sehr notwendige Vorsichtsmaßnahme, da Joe gern an der frischen Luft war und sich ärgerte, wenn er sich nicht frei bewegen konnte. Gleich nach seiner Ankunft rief Clifford eine Mayfair-Nummer an.
»Mr. Leggat ist nicht hier«, war die Antwort, und Clifford verfluchte diesen Verräter, der ihm versprochen hatte, von ein Uhr an zu seiner Verfügung zu stehen.
Cliff sollte noch mehr Grund haben, sich zu ärgern, als Mr. Leggat um zwei Uhr ganz offen an seiner Haustür läutete. Leggat war ein Liebhaber geistiger Getränke, aber gewöhnlich reservierte er sich die Stunden nach dem Abendessen für seine Zechereien. Cliff musterte ihn, als er das Eßzimmer betrat, und zog ganz richtige Schlüsse aus dem roten Gesicht und dem albernen Lächeln, das der Besucher zur Schau trug.
»Sie sind ein Wahnsinniger, Leggat«, sagte Lynne ruhig, als er zur Tür ging und sie schloß. »Warum kommen Sie am hellen Tag hierher?«
Leggat hatte einen solchen Höhepunkt der Heiterkeit erreicht, daß er sich nicht mehr um diese trübe Welt kümmerte.
»Weil ich das Tageslicht vorziehe«, erwiderte er und kicherte heiser. »Warum sollte ein Mann von meinem Stand im Dunkeln herumschleichen? Das ist was für Fing Su und seine Helfershelfer!« Er schnippte verächtlich mit den Fingern und brach in Gelächter aus, aber Clifford teilte seine Heiterkeit nicht.
»Sie sind ein Narr«, fuhr er ihn an. »Ich hatte Sie ausdrücklich ersucht, in Ihrem Büro zu bleiben, damit ich Sie anrufen könne. Unterschätzen Sie ja Fing Su nicht, mein Freund!«
»Pah!« stieß der andere hervor und ging uneingeladen an die Anrichte, wo er sich reichlich bediente. »Ich habe mich noch nie von einem Asiaten in eine Panik treiben lassen! Sie scheinen zu vergessen, daß ich lange in China gelebt habe, Lynne. Und was diese Geheimgesellschaft angeht -«, Leggat warf den Kopf zurück und lachte wieder. »Mein guter alter Junge«, er kam unsicher mit einem Glas voll Whisky zum Tisch zurück, »wenn hier einer ein Narr ist, dann sind Sie es! Ich habe Ihnen genug Hinweise gegeben, um Fing Su an den Galgen zu bringen. Sie sind doch ein reicher Mann, Sie können die ganze Sache der Polizei übergeben und gemütlich zu Hause abwarten, wie sich alles weiterentwickelt.«
Clifford erklärte ihm nicht, daß er sich schon mit dem Kolonialministerium und dem Auswärtigen Amt in Verbindung gesetzt hatte, aber dort war man ihm nur mit höflicher Skepsis begegnet. So hatte Lynne sich ärgerlich in Schweigen gehüllt. Das Auswärtige Amt wußte bereits, daß in der Peckhamer Fabrik ein Waffenlager war. Die Geschütze waren am offenen Markt gekauft worden, und es gab kein Geheimnis darum, erklärte man Cliff mild. Exportiert werden durften sie nicht ohne Lizenz, und es gab keinen Grund, warum eine chinesische Handelsgesellschaft nicht dieselben Rechte haben sollte wie eine britische. Das alles hatte Clifford sich mit wachsender Ungeduld anhören müssen.
»Ich bin fertig mit Fing Su«, behauptete Leggat. »Der Kerl ist nicht nur ein hinterhältiger
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