051 - Die gelbe Schlange
Chinese, er ist sogar ein ganz gemeiner Chinese! Was habe ich nur alles für ihn getan! - Haben Sie übrigens veranlaßt, daß die ›Umgeni‹ durchsucht wird, wie ich Ihnen geraten habe?«
Clifford bejahte. Er hatte erreicht, daß das Londoner Hafenamt sich in dieser Richtung bemüht, und den Dampfer ›Umgeni‹ gründlich unter die Lupe genommen hatte, aber die Ladung bestand nur aus den üblichen Handelsartikeln, wie Kisten voller Spaten, Sensen, Kochtöpfen und so weiter.
Leggat war überrascht: »Nanu! Ich weiß genau, daß sie -«
»Die ›Umgeni‹ läuft heute nacht aus«, unterbrach ihn Clifford, »und nicht einmal Fing Su ist imstande, die Ladung noch auszutauschen.«
Sein Gast kippte den Whisky hinunter und tat einen tiefen Atemzug.
»Na, ich bin fertig mit dem Chinesen«, wiederholte er. »Ich hatte mir eingebildet, daß er die Wunderente ist, die unentwegt goldene Eier legt!«
»Mit anderen Worten, Sie haben aus ihm herausgeholt, was nur möglich war?« fragte Clifford mit feinem Lächeln. »Und nun sind Sie soweit, den Rest zu verkaufen? Welche Rolle spielt eigentlich Spedwell dabei?«
Leggat zuckte seine breiten Schultern.
»Ich habe den Major nie besonders leiden mögen«, brummte er. »Diese Militär-Johnnies fallen mir auf die Nerven. Spedwell ist Fing Sus Stabschef - er verbringt die meiste Zeit über Karten und Plänen und Dienstvorschriften. Er und Fing Su haben gerade ein chinesisches Handbuch fertiggestellt.«
»Wohl eine Schießvorschrift für die Infanterie?« vermutete Clifford.
»So etwas Ähnliches wird es wohl sein«, erklärte Leggat.
Clifford hob warnend die Hand, als es leise an die Tür klopfte und sein Diener eintrat.
»Verzeihen Sie, Sir, ich vergaß, Ihnen zu sagen, daß die Postarbeiter heute früh da waren, um Ihren neuen Telefonapparat anzubringen.«
»Ich verstehe nicht - der alte war doch in Ordnung?« Lynne zog die Stirn in Falten.
»Die Männer hatten gesagt, daß der Apparat zu Klagen Anlaß gegeben habe - die Zentrale habe Sie nicht mehr deutlich verstehen können.«
Lynne schwieg gedankenversunken einige Sekunden.
»Waren Sie dabei, als die Arbeiten ausgeführt wurden?«
»Gewiß, Sir«, erklärte der Diener. »Die Leute hatten zwar ihren Postausweis vorgezeigt, aber ich habe zuviel erlebt, um irgendein Risiko einzugehen. Die ganze Zeit habe ich dabeigestanden, als die Männer den Tonverstärker angebracht haben.«
»Was!« rief Clifford bestürzt. »Wo ist dieser ›Tonverstärker‹?«
Eine Wand des Speisezimmers war durch einen großen Schrank verdeckt, und hinter diesen führte das Telefonkabel. Der Diener bückte sich und zeigte auf den freien Raum unter dem letzten Fach. Dort sahen sie einen schwarzen, hölzernen Kasten, etwa fünfundzwanzig Zentimeter lang und zehn Zentimeter hoch. Auf dem Deckel hatte er zwei runde Öffnungen, und ein dünner Draht lief von hier bis zum Ende der Wand und führte dann durch ein neugebohrtes Loch im Fensterrahmen ins Freie.
»Was ist denn das?« fragte Leggat, plötzlich völlig nüchtern.
»Ein Mikrofon«, antwortete Clifford kurz. »Irgend jemand hat unsere ganze Unterhaltung belauscht!«
24
Clifford öffnete das Fenster und schaute hinaus. Der Draht war an der Wand entlanggeführt, lief über die Mauer, die das Anwesen vom Nachbargrundstück trennte, und verschwand über dem Garagendach in Richtung der rückwärtigen Gasse.
»All right, Simmons.« Er entließ den Diener und ging, ohne ein Wort zu verlieren aus dem Zimmer über den Hof in die Garage. Zuerst konnte Lynne den dünnen Draht nicht finden, aber nach einigem Suchen entdeckte er ihn entlang der Rückwand und konnte nun seine Spur bis zum Ende des Gäßchens verfolgen, wo er in ein offenes Fenster einmündete, das anscheinend zu einer Chauffeurwohnung gehörte.
Ein Blick auf das Äußere dieses Hauses ließ erkennen, daß die Räume nicht bewohnt waren. Die Fensterscheiben waren verschmutzt, eine war zerbrochen, und Clifford erinnerte sich, daß weiter unten in der Straße ein leeres Wohnhaus stand. Anscheinend gehörte diese Garage dazu.
Neben dem Garagentor befand sich eine schmale Tür zu, der oberhalb gelegenen Wohnung. Sie war nur angelehnt, und ohne Zögern trat Clifford ein und stieg die enge Treppe hinauf. Oben waren zwei leere Räume, in denen nur allerlei unbrauchbarer Kram der vorigen Bewohner herumstand. In der hinteren Kammer war noch eine alte eiserne Bettstelle zurückgeblieben, und hier fand Clifford auch, was er erwartet hatte:
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