051 - Die gelbe Schlange
Fremder in diesem Land, und für einen Mann wie mich ist es nicht leicht, den Weg in die Stadt zu finden.«
Irgend etwas im Verhalten des Chinesen erregte Cliffords Argwohn.
»Mann, du hast Angst, in meinem Haus zu bleiben«, sagte er. »Gib mir den Grund dafür an!«
Der Kuli senkte finster den Blick.
»Du hast Angst!«
Der Chinese blickte nicht auf.
»Du hast Angst, weil heute nacht der Tod in dieses Haus kommt!«
Diesmal saß der Hieb. Der gelbe Mann fuhr zusammen und schaute Lynne furchtsam an.
»Man sagt von dir, daß du ein Teufel bist und in den Herzen der Menschen lesen kannst. Was du jetzt sagst« - man konnte die Verzweiflung aus seinen Worten hören - »ist wirklich wahr, denn ich bin dem Tod verfallen, wenn ich diese Nacht hierbleiben muß.«
Clifford stieß einen leisen Pfiff aus.
»Um welche Stunde müßtest du sterben, Mann?«
»Zwei Stunden nach Mondaufgang«, antwortete der Kuli ohne Zögern, und Clifford nickte.
»Ich denke, du kannst gehen.« Er ließ ihn frei und zeigte ihm den Weg nach London.
Als Chff zu Joe zurückkam, wiederholte er ihm den wesentlichsten Inhalt der Unterhaltung.
»Der große Angriff findet vermutlich heute nacht statt. Was sollen wir tun? Wir könnten mit Aldershot telefonieren, daß man uns ein halbes Bataillon zu Hilfe schickt; wir könnten uns auch blamieren und die Ortspolizei benachrichtigen, dann wären wir aber für den Tod dieser ehrbaren, älteren Männer verantwortlich. Wir könnten aber dem Angriff auch allein entgegentreten und einen netten, ruhigen Kampf ausfechten.«
Slaters Cottage und Sunni Lodge waren eine Meile von Sunmngdale entfernt und standen auffallend isoliert, obwohl sie nur wenige hundert Meter von der Straße nach Portsmouth entfernt waren, auf der immer Verkehr herrschte. Der nächste Nachbar von Mr. Narth war Lord Knowesley, der sich aber kaum einen Monat jedes Jahr auf seinem Besitz aufhielt, denn er stammte aus dem Norden, liebte Lancashire und fühlte sich nur unter seinen engeren Landsleuten wohl.
Auf der anderen Seite, hinter Slaters Cottage, dehnte sich das unerschlossene Gelände einer Terramgesellschaft aus.
Clifford überlegte: »Vermutlich hat das Gesinde es auf ein Dokument abgesehen, das in meiner Innentasche eingenäht ist, Joe. Wenn Spedwell die Leitung übernommen hat, er ist ja Fing Sus Stabschef, wird es ein Feuergefecht mit Schalldämpfern geben.«
Gegen Abend bezog sich der Himmel, und es war drückend schwül. Die Sonne war hinter großen Wolkenbergen verschwunden. Clifford Lynne nützte die letzten hellen Stunden aus, um Sunni Lodge einen Besuch abzustatten. Er ging aber nicht ins Haus, da er Stephen Narth nicht begegnen wollte. Statt dessen machte er einen Rundgang durch den Park und sah Joan über den Tennisplatz gehen.
Kurz berichtete er ihr von den Vorkehrungen, die er zu ihrem Schutz getroffen hatte.
»Die Gefahr wird wohl in einer Woche vorüber sein, denke ich. Ich habe das Auswärtige Amt bis zu einem gewissen Grade interessieren können, und auch Scotland Yard wird nicht untätig sein.«
Joan schüttelte hilflos den Kopf.
»Ich begreife nicht, was der Grund für diese Gewalttaten ist. Es geht um diese Gründeraktie, die Fing Su haben will, nicht wahr?«
Clifford nickte zustimmend.
»Ich habe immer noch nicht verstanden, warum das so furchtbar wichtig ist.«
Sie gingen durch ein dünnes Föhrengehölz, das die westliche Grenze des Narthschen Landbesitzes einfaßte. Vom Haus aus konnte man sie hier nicht beobachten. In wenigen Worten versuchte Clifford ihr noch einmal alles zu erklären.
»Ich habe immer mit der Möglichkeit gerechnet, daß Joe irgend etwas ganz Verrücktes mit seinem Geld anfangen würde. Die Gründeraktien, wie wir sie nennen - in Wirklichkeit würden sie besser Verwaltungsanteile heißen -, wurden ausgegeben, um die Kontrolle über die Gesellschaft auf jeden Fall fest in der Hand zu behalten. Ursprünglich sollte ich fünfundzwanzig und Joe vierundzwanzig Stücke erhalten. In Ergänzung dazu trafen wir eine gegenseitige Vereinbarung, daß im Fall einer von uns stirbt, der andere die gesamten Anteile erben sollte. Eines Tages, als ich auf einer Geschäftsreise in Peking war, erhielt ich ein Telegramm von Joe, in dem er anfragte, ob ich einverstanden sei, wenn er dem Vater Fing Sus einige der Gründeraktien überließe. Bevor ich Siangtan verließ, hatte ich unglücklicherweise Joe Generalvollmacht erteilt. Bei meiner Rückkehr mußte ich feststellen, daß der verrückte alte
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