051 - In den Katakomben des Wahnsinns
im Umlauf waren.
Die Medizin hatte heute die Möglichkeit, ein Gehirn außerhalb des Körpers
existieren zu lassen. Es gab viele Wissenschaftler, die behaupteten, ein Gehirn
allein könne zweifellos leben. Der Körper selbst war unwichtig. Bewiesen worden
war dies durch aufsehenerregende Operationen. Die Schwedin wusste, dass in
Europa zwei Menschen ohne Unterleib lebten. Man hatte sie bis zu den Hüften
amputiert. Ihr Oberkörper steckte in einer Hülse.
Sanders' Theorien waren noch weitergegangen. Er hatte in seinen Plänen
dargelegt, dass es beim derzeitigen Stand der Wissenschaft kein Problem mehr
war, ein Gehirn losgelöst vom Körper am Leben zu erhalten. Man musste die
Zellen nur mit Sauerstoff und Nährstoffen versorgen. Das war alles. Wie aber
würde sich ein solches Gehirn außerhalb des Körpers verhalten?
Morna hatte immer versucht, sich ein derart schauriges Schicksal vor Augen
zu halten. Sie wusste, dass in höchsten Kreisen der NASA detaillierte Pläne für
sogenannte Saucer bestanden. Diese
Wesen sollten in der Zukunft gewisse Überwachungsfunktionen zwischen Erde und
Mond und eventuell den nahen Planeten übernehmen.
In der NASA war man schon jetzt davon überzeugt, dass sich bald Freiwillige
melden würden, Menschen, die so krank waren, dass sie nicht mehr gerettet
werden konnten und von denen man nichts anderes mehr brauchte als den Kopf. Er
würde dann einen festen Platz in einem kleinen Raumschiff bekommen, das
praktisch durch das lebende Gehirn gesteuert wurde. Mechanische Bewegungen
würden durch Greifer und künstliche Greifarme ermöglicht werden. Kabel und
elektrische Impulse ersetzten Nerven und Nervenströme. Alles war so einfach!
Man wartete nur den richtigen Zeitpunkt ab, wo das menschliche Denken sich den
Neuerungen langsam näherte. Die momentane Fortschrittsgesellschaft war noch nicht bereit, mit allen Tabus zu brechen. Doch die Zeit würde
kommen ...
Ein tiefer Atemzug hob und senkte die Brust der Schwedin. Hier aber hatte
ein satanisches Gehirn zum Verbrechen gegriffen!
Und dies war seine schaurigste und zweifellos höchste Leistung. Das einsam
lebende Gehirn, mit allen Empfindungen ausgestattet und doch unfähig, am vollen
Leben teilzunehmen. Es fehlten die Sinnesorgane. Hier lebte ein Mensch – aber
er sah nichts, er hörte nichts, er konnte nicht sprechen. Wenn er Schmerzen
oder Freude empfing – konnte er es nicht mitteilen.
Unwillkürlich wandte sie ihren Blick noch einmal dem breiten
Instrumententisch zu. Über runde Oszillographenschirme liefen gleichmäßige,
flache Kurven, die anzeigten, dass das überdimensionale Gehirn intakt war wie
eine Maschine, die ruhig und ohne Komplikationen lief.
Wachte es oder schlief es? Wurde ihm gewahr, dass in diesem Augenblick eine
Fremde in den geheimnisvollen Raum eingedrungen und Zeuge dieser schwammigen
Brut geworden war?
Die Linien auf den Oszillographen erfolgten urplötzlich dichter
aufeinander, wurden spitz und steil.
Im gleichen Augenblick hörte Morna die kalte Stimme hinter sich.
»Mir entgeht nichts , Miss! Das
sollten Sie doch längst bemerkt haben!« X-GIRL-C wirbelte herum. Sie starrte
auf eine der wahnsinnigen Gestalten, die sich ihr langsam näherschob.
Die Schwedin verharrte auf der Schwelle, umfasste das Skalpell fester und
ließ den Neuankömmling nicht aus den Augen.
»Sie mögen sich Gedanken gemacht haben über meine Lebensreaktionen«, fuhr
ihr Gegenüber fort, und es war die gleiche Stimme, die sie heute schon mehr als
einmal gehört hatte. Sie schienen alle die gleiche Stimme zu haben. Morna
begriff, wer in Wirklichkeit zu ihr sprach. Das unheimliche, riesige Gehirn,
das in der Nährflüssigkeit hinter ihr in dem Glasbehälter schwamm!
Dieses Gehirn kontrollierte alles, dieses Gehirn befahl und entschied, traf
Wahnsinnsentscheidungen, weil es selbst wahnsinnig war. Ein solcher Koloss
konnte nicht mehr normal reagieren. Durch irgendwelche ihr unbekannten
Manipulationen war das Wachstum der Hirnzellen angeregt worden. Dabei mussten
schlummernde Kräfte geweckt worden sein, die nun voll zur Auswirkung kamen.
Hypnose in einer Form, wie man sie bisher noch nicht kannte?!
Die Schwedin ahnte nicht, wie nahe sie mit ihren Überlegungen der
Wirklichkeit kam.
Während sie auf das hässliche Wesen starrte, das ihr gegenüberstand und ein
Symbol des ganzen Wahnsinns war, unter dem das kranke Hirn litt, wurde ihr bewusst,
in welche Hände sie wirklich geraten war.
Sie begriff, wer Sanders sein musste. Sanders
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