0513 - Sandra und die Mördermaske
Sie hätte eine Platte auf- oder eine Kassette einlegen müssen, um Musik zu haben, darauf hatte sie verzichtet. Vielleicht mochte ihr Bruder so etwas nicht.
Sie dachte über ihn nach, während sie mit geschlossenen Augen und ausgestreckt im warmen Wasser lag. Daß er Sorgen hatte, stand fest. Er war ein Mensch, der eigentlich nie über seine Probleme gesprochen hatte. Daß er zu ihr gekommen war, konnte nur einen Grund haben. Es mußte ihm sehr schlecht gehen. Viel schlechter, als er bisher hatte zugegeben.
Sie wusch ihren Körper und schaute zu, wie der Seifenschaum über die Haut rann. Die kleinen, festen Brüste schaukelten auf dem Wasser. Träge zogen Dunstschwaden durch den Raum. Sandra nahm den intensiven Geruch wahr und kam sich vor wie auf einer Insel, über der sie zusätzlich noch schwebte.
Sie wollte nachdenken, nur schaffte sie es diesmal nicht. Etwas kam immer wieder dazwischen. Es war wie eine Sperre, die sich vor ihr Denkvermögen gelegt hatte.
Es gibt Tage, da fliegen die Gedanken einfach weg. Das spüren besonders kreative Menschen, meist hängt es mit dem Wetter zusammen. Sandra gehörte zu den Leuten, denen es eigentlich auch bei trüben Wetter gutging, nur schaffte sie es jetzt nicht, die Gedanken auf einen Punkt zu konzentrieren.
Etwas störte sie. Ein Einfluß von außen, fast schon eine fremde Stimme.
Bestimmt war es Einbildung, spielten ihr die arg strapazierten Nerven einen Streich. Möglicherweise hing es auch mit dem Besuch ihres Bruders zusammen, der sie doch durcheinandergebracht hatte.
Ihr Rhythmus war gestört. Sie konnte sich nicht so schnell umstellen und auch nicht konzentrieren, trotz der geschlossenen Augen.
Da war der andere Einfluß.
Böse Schwingungen, die sich verdichteten und zu einer leisen Stimme wurden.
»Du hast ihm Schutz gewahrt. Du hast ihm Schutz gegeben. Du wirst es nicht schaffen. Er muß sterben. Verräter müssen sterben… sterben … hast du gehört?«
Sandra riß die Augen auf. Sie hatte sich beim Klang der Stimme furchtbar erschreckt. Jetzt suchte sie den Sprecher, ihre Blicke jedoch glitten durch die Leere des Badezimmers.
Nur der Dunst zog träge an ihr vorbei in Richtung des kleinen Fensters und der Tür.
Wo befand sich der Sprecher?
Sie hatte sich die Stimme nicht eingebildet, sie war vorhanden gewesen. Sie hatte von einem Verräter gesprochen und konnte eigentlich nur ihren Bruder damit gemeint haben.
Sandra richtete sich auf. Das Wasser umspülte nicht mehr ihre Schultern, ein Frösteln rann über die Haut, obwohl der Heizkörper neben dem kleinen Schrank in der Ecke Wärme abgab.
Etwas Unnatürliches war geschehen. Sandra wurde damit nicht fertig. Nicht daß ihre Welt eingestürzt wäre, sie mochte es auch nicht, wenn sie neben den beruflichen noch private Schwierigkeiten auftürmten. Das ging ihr an die Nieren.
Oder hatte ihr Bruder vielleicht gesprochen? Stand er im Flur vor der Tür?
Das wäre eine Möglichkeit gewesen. Sandra reagierte sofort und rief nach ihm. Er kam, klopfte zunächst gegen die Tür und fragte, ob sie ihn gerufen hätte.
»Ja, komm rein.«
Als Basil die Tür aufdrückte, legte Sandra sich wieder zurück und schaute dem Eintretenden entgegen. Basil blieb an der Tür stehen.
Fragend schaute er sie an.
»Hast du vorhin gesprochen?«
Der Mann gab sich erstaunt. »Nein, wieso?«
Sandras Lippen zuckten. »Ich war der Meinung, Stimmen gehört zu haben.«
»Stimmen?«
»Nein, nur eine Stimme.«
»Das soll ich gewesen sein?«
»Ich weiß es eben nicht, Basil. Tut mir leid.«
Das Gesicht des Mannes nahm einen nachdenklichen und auch mißtrauischen Ausdruck an. »Was hat diese Stimme denn alles gesagt?« erkundigte er sich leise.
»Nicht viel, wirklich nicht. Nur etwas komische Sätze. Sie sprach von einem Verräter.«
»Ja…«
»Kannst du da etwas mit anfangen?«
»Nein, nein«, sagte er hastig, eigentlich zu hastig, wie Sandra fand.
»Überhaupt nicht.«
»Ich glaube dir nicht.«
»Wieso?«
Sie richtete sich auf. »Basil, was ist los? Du… du hast in der vergangenen Nacht unruhig geschlafen, das hörte ich. Du hast dich gewälzt, du hast mit dir selbst gesprochen. Das muß einen Grund gehabt haben.«
»Bitte, Sandra, nimm mich so wie ich bin. Hörst du? Nur darum bitte ich dich!«
»Das kann ich nicht mehr. Ich habe die Stimme gehört, Basil. Davon gehe ich nicht ab. Du kannst sagen, was du willst, aber die Stimme hängt meiner Ansicht nach mit deinem Erscheinen bei mir zusammen. Tut mir leid, daß
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