0515 - Schreie aus dem Werwolf-Brunnen
stand auf und wickelte ein Taschentuch um das malträtierte Gelenk, um das erste Blut abzuwischen. »Es war ein verdammt schlechter Plan, Freunde.«
Ich mischte mich ein. »Gut, Suko, er wird keinen Menschen mehr töten. Bei mir hat er es versucht, es aber nicht geschafft. Sein letztes Opfer war ein pensionierter Lehrer.«
»Er tat es nicht aus eigenem Antrieb. Man kann ihm nicht einmal einen Vorwurf machen. Der Mann war krank«, sagte Suko. »Er hat es mir berichtet. Er muß aus einer Anstalt ausgebrochen sein und fand hier im Ort Unterschlupf.«
»Wo?«
»Ich weiß es nicht. Er wollte es mir nicht sagen. Aber es gibt einen Helfer, der ihn auch getötet hat.«
Ich schaute auf den Stein. »Ein verdammt schweres Ding. Wer hat soviel Kraft, ihn anzuheben?«
»Wenn du zu dritt oder viert bist…«
»Ja, wenn. Der Mörder aber sprach von einem Helfer, der gemerkt haben muß, wie sehr dem Killer die Felle wegschwammen. Da hat er eben gehandelt.«
»Und wir müssen auch handeln, John. Und zwar so schnell wie möglich. Kennst du dich in Fillingrow aus?«
»Ein wenig nur.«
»Hast du keinen Verdacht?«
Ich starrte in das Feuer der Fackeln. »Doch, Suko, ich habe einen Verdacht. Sogar einen ganz bestimmten.«
»Hat dieser Verdacht auch einen Namen?«
»Ich glaube schon. D.C. Redburn.«
»Habe ich noch nie gehört.«
»Das glaube ich dir. Redburn ist so etwas wie ein Großmogul in Fillingrow. Er will hier herrschen.«
»Wo wohnt er?«
»In der Nähe des Brunnens besitzt er ein Lokal. Komm, wir werden ihm einige Fragen stellen.«
Die Chinesen schufen schweigend Platz, als wir uns in den Stollen zwängten. Zum Abschied warf Suko ihnen, noch einen sehr harten und bösen Blick zu.
Wir hatten den Stollen rasch hinter uns gelassen und standen schon bald in der Baracke. »Willst du noch Ho Chan begrüßen?« fragte ich meinen Freund.
»Nein, später.«
»Okay.«
Wir liefen hinein in die Kälte. Den Toten hatte man inzwischen weggeschafft. Auf dem Weg zum Brunnen berichtete ich Suko von meinen Erlebnissen. Er konnte nicht viel hinzufügen und hatte auch nie das unheimliche Heulen gehört.
»Ich rechne mit einem Werwolf«, sagte ich.
»Ist das nicht weit hergeholt?«
»Wieso?«
»Wenn hier einer ein Werwolf war, dann meines Erachtens nur der blonde Killer.«
»Nein, das war ein Psychopath. Hier in Fillingrow muß noch eine Bestie herumstreunen, und der will ich an den Kragen. Vielleicht weiß Redburn mehr.«
»Das wird er uns auch noch gerade sagen.«
Ich hob die Schultern. »Bleibt ihm etwas anderes übrig?«
Es war uns auf dem Weg zum Brunnen kein Mensch begegnet. Die Bewohner hatten den Rat tatsächlich befolgt und waren in ihren Häusern geblieben.
Vor dem Brunnen blieben wir stehen. Ich legte meine Hände auf den Steinrand und schaute – ebenso wie Suko – in die Tiefe.
Jetzt sahen wir den Trick. Die Steinplatte, aus der auch die Wasserdüsen schauten, ließ sich bewegen und war zur Seite gekippt worden. Ein alter Trick, aber noch sehr wirkungsvoll. Für den Kenner war der Brunnen ein idealer Fluchtweg.
»Das ist sein Geheimnis«, sagte ich. »Mehr nicht.«
Da hörten wir das Heulen.
Unheimlich, schaurig, wie ein finsteres Versprechen schwang er über die Dächer der Häuser hinweg.
Suko schaute mich an. »Das ist er«, flüsterte er. »Das ist der verdammte Werwolf.«
»Ja, leider…«
Das Heulen verstummte. Aber die Bestie war noch da. Davon gingen wir aus. Ich schaute hoch zum Himmel. Hinter den Wolken hob sich blaß der Vollmond ab.
Ein ideales Werwolf-Wetter…
»Zu Redburn?« fragte Suko.
»Und ob, mein Lieber…«
***
Kurze Zeit später standen wir vor der Tür des Gasthauses und fanden sie verschlossen.
Suko rüttelte an der Klinke, während ich mir die Fenster anschaute. Sie waren nur dunkle Rechtecke, hinter denen kein Licht brannte. In den oberen Etagen ebenfalls nicht.
Ich kehrte zu Suko zurück.
»Sieht nicht gut aus«, sagte mein Freund und schaute in Richtung Straße. »Dein Verdacht scheint sich zu bekräftigen. Dieser Redburn muß einfach Dreck am Stecken haben.«
»Das glaube ich auch.«
»Ob er im Haus ist?«
»Weißt du, ob er ein Werwolf…«
Suko lachte. »Nein, das weiß keiner. Deshalb würde ich vorschlagen, daß wir uns drinnen umschauen.«
»Ist gut.«
Wir besaßen einen Spezialschlüssel, dem das Schloß kaum Widerstand bot. In diesem Fall konnten wir es verantworten, in ein fremdes Haus einzudringen.
Der typische Kneipengeruch empfing uns. Es roch
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