0519 - Schatten des Grauens
sagte Zamorra. »Aber wenn Sie mich schon nicht nachschauen lassen wollen, was mit Salem ist, dann lassen Sie mich wenigstens in Mademoiselle Belos Wohnung. Ich fürchte, es geht ihr nicht gut. Vielleicht stirbt sie.«
»Vielleicht spinnen Sie ein bißchen, Meister«, knurrte Stellaine. »Sie halten sich ohne Erlaubnis in meinem Haus auf. Sie verhalten sich ungewöhnlich. In Ihrer Nähe kommt es zu Gewalttaten. Bleiben Sie bloß, wo Sie sind. Warum bestehen Sie überhaupt darauf, daß Sie selbst nach diesem Dingsda sehen wollen?«
»Weil er, falls er Ihren Schuß überlebt hat, vielleicht noch sehr gefährlich werden kann.«
»Die Gefahr wäre für mich geringer, weil ich im Gegensatz zu Ihnen bewaffnet bin«, stellte Stellaine klar. »Aber der lebt nicht mehr. Da können Sie Gift drauf nehmen. Meine Schrotladungen schießen sogar einen Elefanten aus seiner Haut.«
Der Mann mußte ein Gemüt wie ein Fleischerhund haben, daß er über den in Notwehr Erschossenen so locker hinwegging. Oder war seine schon zynisch zu nennende Kaltschnäuzigkeit nur eine Schockreaktion? Zu Stellaines Gunsten nahm Zamorra letzteres an.
»Hören Sie«, drängte er. »Mademoiselle Belo ist in Gefahr. Mit ihr geschieht etwas, das sich jeder Kontrolle entzieht. Vielleicht ist sie sogar schon tot. Lassen Sie mich zu ihr. Vielleicht kann ich ihr helfen.«
»Sie?«
Zamorra seufzte. Er konnte sich jetzt hinstellen und Stellaine in aller Ausführlichkeit erklären, was es mit Magie und Parapsychologie auf sich hatte, aber vermutlich würde Stellaine ihm keine Silbe glauben. Derweil ging Zeit verloren, vielleicht die letzten noch wertvollen Sekunden, in denen etwas getan werden konnte. Und irgendwo draußen war Eysenbeiß-Salem, um den sich niemand kümmerte -war er tot, war das Problem zwar erledigt, aber wenn er noch lebte, mußte ihm dringend geholfen werden. Und zwar dem schwerverletzten Körper Yared Salems, der ja an Eysenbeißens Taten absolut unschuldig war.
Aber die Zeit verstrich.
Madame tauchte wieder auf, baute sich jetzt sichtbar hinter ihrem flintenbewehrten Göttergatten auf. »Die Polizei kommt«, sagte sie.
Draußen stoppten Autos.
Die Polizei war schon da.
Schneller, als Madame erwartet hatte, denn die Flics mußten doch erst mal aus Lyon anrollen, was selbst mit Blaulicht und Sirene und bei Nacht mindestens eine Viertelstunde dauerte, vermutlich sogar viel länger!
Nur Zamorra ahnte, daß es sich um den endlich aufkreuzenden Chefinspektor Robin handelte.
Vielleicht würden die Dinge ja jetzt endlich in Bewegung geraten…
***
Robins dunkler Citroën XM und Nicoles Cadillac stoppten gleichzeitig vor dem Haus mit der offenen und beleuchteten Tür. »Ich hatte eigentlich gehofft, du würdest vor mir hier sein«, sagte Nicole.
»Ein alter Mann wird ja wohl erst noch in seine Hose springen dürfen, oder?« knurrte Robin. »Unfreundlicherweise hast du mich nämlich aus dem Schlaf gerissen. Hoffentlich nicht grundlos. Was…« Er sah es auf den Pflastersteinen des kurzen Weges dunkel und feucht schimmern. Unwillkürlich bückte er sich, berührte die dunkle Flüssigkeit mit dem Zeigefinger und schnupperte daran.
»Blut«, stellte er fest. »Und zwar eine ganze Menge! Was zum Teufel…«
Nicole war schon an ihm vorbei ins Haus gestürmt und sah sich mit einem Mann im Morgenmantel konfrontiert, der eine abgesägte Schrotflinte in den Händen hielt. Im nächsten Moment tauchte auch Robin hinter ihr auf, den Dienstausweis gezückt. »Mordkommission Lyon, Robin«, stellte er sich vor. »Ich denke, hier bedarf es einiger umfangreicher Erklärungen, nicht wahr? Legen Sie das Gewehr zu Boden, Monsieur.«
»Mordkommission?« ächzte Madame Stellaine. »Ich hatte doch die Bereitschaftspolizei… wegen dieses Einbrechers…« Hilflos deutete sie nach oben, wo Zamorra stand.
»Was ist mit Belo?« rief Robin hinauf.
»Keine Ahnung«, gab Zamorra zurück. »Mich läßt hier ja niemand tun, was getan werden muß!«
»Das ändert sich künftig etwas«, sagte Robin. Er hob das Schrotgewehr vorsichtig am Lauf vom Boden auf. »Auf wen haben Sie geschossen, Monsieur…«
»Stellaine«, half Stellaine aus. »Auf einen Einbrecher, der mich mit der Schußwaffe bedrohte.«
»Der Professor?«
»Nein. Ein anderer. Salem heißt er wohl.«
»Das Blut draußen ist von Salem?« stieß Nicole hervor. »Aber wo steckt er?« Sie berührte Robins Schulter. »Ich sehe draußen nach.« Sie griff unter ihren Lederblouson und zog die Laserwaffe
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