052 - Die Leichenkammer des Dr. Sarde
wurde. Er legte
einfach einen falschen Toten in den Sarg. Gudeau muss ihn überrascht haben, als
Edith Liron entfernt wurde. Die Dinge spitzen sich zu, Kommissar! Ich muss
jetzt unbedingt den Partner Maurice Gudeaus sprechen. Er hat die
Vermisstenmeldung aufgegeben. Vielleicht weiß er noch etwas, was uns bisher
fehlte ... Vielleicht aber gibt es noch mehr Fälle, von denen Sie nicht einmal
etwas ahnen. Oder haben Sie jeden Sarg, der in die Erde gesenkt wurde und in
dem eine junge Frau zur letzten Ruhe bestattet werden sollte, untersucht? Es
wird immer komplizierter, Kommissar!«
Während er das sagte, kamen ihm wieder die Worte von X-RAY-1 in den Sinn:
Es kündigte sich ein Verbrechen größten Stils an!
Ein ungewöhnliches, ungeheuerliches Verbrechen. Denn inzwischen wurden
nicht nur Leichen ausgegraben, sie wurden bereits aus den Leichenhallen geraubt
– und wenn nicht genügend vorhanden waren, dann sorgte man einfach für
Nachschub, indem man junge Mädchen und Frauen ermordete.
»Sorgen Sie ja dafür, dass Michele Claudette ständig bewacht wird,
Kommissar«, sagte Larry abschließend.
Er hatte ein dumpfes Gefühl.
Während er mit hoher Geschwindigkeit zum Büro raste, in der das
Bestattungsunternehmen Ecole et Gudeau etabliert
war, erreichte ihn über das Funksprechgerät Lecquells eine Hiobsbotschaft.
»... es ist etwas Furchtbares passiert, Monsieur Brent«, Lecquells Stimme
klang belegt, und Larry ahnte im gleichen Augenblick, worum es ging.
»Michele Claudette, nicht wahr? Wie konnte es passieren?«
»Einer meiner Beamten hat den Wächter in der Ecke des Korridors
aufgefunden. Tot! Er wurde mit einem Stahldraht erdrosselt. Michele Claudette
muss ihrem Entführer – oder ihrem Mörder – selbst die Tür geöffnet haben. Die
Wohnung ist leer. Es muss alles blitzschnell gegangen sein. Die anderen
Hausbewohner haben nichts bemerkt. – Die Leiche in einem Abstellschuppen der
Metro wurde bereits einer Obduktion unterzogen. Nach dem ersten Bericht, den
ich erhalten habe, handelt es sich um den Körper einer etwa dreiundzwanzig bis
fünfundzwanzigjährigen jungen Frau. Der Tod muss gestern Abend zwischen
dreiundzwanzig und vierundzwanzig Uhr eingetreten sein.«
X-RAY-3 nickte. »Um diese Zeit stieß Michele Claudette auf Dr. Sarde. Der
Kopf in der Reisetasche des Mörders muss noch warm gewesen sein ...«
●
Dass Marcel Blumon ein Mann des PSA-Nachrichtendienstes war, sah man ihm
nicht an.
Er kleidete sich nicht besonders, machte einen etwas heruntergekommenen
Eindruck und passte alles in allem sehr gut zu dem zwielichtigen Publikum, das
in der Kneipe und im Freudenhaus der Madame Blanche verkehrte.
Als er an diesem Vormittag wieder in der Kneipe saß und ein Glas Rotwein
trank, tat er das wie immer. Er plauderte mit den Mädchen, die herumhockten,
übernächtigt und müde aussahen, und die sich doch nicht dazu entschließen
konnten, sich noch einmal schlafen zu legen. Schon früh am Morgen tranken sie
hochprozentige alkoholische Getränke, rauchten eine Zigarette nach der anderen
und schienen sich in dieser verqualmten Umgebung recht wohl zu fühlen.
Nach dem zweiten Glas Rotwein verließ Blumon die Kneipe und verschwand
durch den Hinterausgang, um zu Yvette aufs Zimmer zu gehen. Es irritierte ihn
ein wenig, als er sie nicht antraf.
Er ließ sich jedoch seine Überraschung nicht anmerken, als er den Raum
wieder verließ. Draußen auf dem Korridor traf er auf eine Prostituierte, die
gerade aus der Toilette kam.
»Hallo, Marcel!«, rief sie ihm zu. Sie trug einen hauchdünnen Morgenmantel,
durch den die Umrisse ihres gutproportionierten Körpers schimmerten. »Schon so
früh auf den Beinen?«
Marcel grinste. »Was heißt hier früh, Mäuschen? In einer halben Stunde ist
es Zeit zum Mittagessen.«
»Oh, dann ist es höchste Zeit, dass ich mich noch ein bisschen auf
Matratzenhorchdienst begebe. Mit dem Einbruch der Dunkelheit wird es wieder
anstrengend. Die Arbeit, wenn man nur einmal nicht mehr arbeiten müsste ...«
»Das Leben ist ein Jammertal, wem sagst du das, Cheri? Immer muss man etwas
tun, damit man das nötige Kleingeld hat.« Er gab ihr einen Klaps auf den
Hintern. »Aber für dich habe ich schon eine Stelle, sobald ich meinen großen
Coup gelandet habe. Ich stelle dich als Sekretärin ein.«
»Was muss ich da tun?«
»Nichts. Nur in schönen Kleidern herumsitzen und mein Geld zählen.«
»Fein. Und was macht Yvette?« Sie roch nach Alkohol und sah ihr Gegenüber
aus halb
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