0528 - Der blaue Tod
ausgezeichnet«, versicherte der alte Diener. »So wohl wie jetzt habe ich mich schon lange nicht mehr gefühlt. Allerdings ist der Chefarzt der Ansicht, er müsse mich noch für ein paar Tage hierbehalten.«
»Das sagte er mir bereits. Wollen Sie das auch, Raffael? Sie wissen hoffentlich, daß niemand Sie gegen Ihren Willen dort festhalten kann.«
»Das ist mir bewußt, Monsieur, aber um des lieben Friedens willen werde ich bis morgen hierbleiben. Ich habe ja den Trost, daß Mister William einen Teil meiner Arbeiten erledigen kann, so daß Sie nicht völlig unversorgt sind. Allerdings wäre es mir lieb, die Arbeit so bald wie möglich wieder selbst in die Hand zu nehmen.«
Zamorra lächelte. »Bis morgen dann, Raffael. Ich wünsche Ihnen gute Besserung.«
»Oh, ich bin nicht krank, Monsieur Zamorra«, beteuerte Raffael.
Die Verbindung wurde abrupt beendet, etwas ungewöhnlich für Raffael. Schulterzuckend legte Zamorra den Hörer auf. Er war etwas beunruhigt. Das »Krankheitsbild« des Dieners paßte nicht. Eine solche »Verjüngungskur« war einfach unmöglich. Er überlegte, ob er nicht nach Roanne fahren und sich Raffael selbst ansehen sollte. Andererseits wußte er auch nicht, was er tun konnte. Vielleicht war es besser, den kommenden Tag abzuwarten und Raffael dann einfach abzuholen, ganz gleich, ob die Ärzte ihn noch weiter beobachten wollten oder nicht.
In der Zwischenzeit mußte er sich um den Blauen kümmern…
***
»Er scheint sich nicht mehr für das Château zu interessieren«, sagte Nicole. »Zumindest habe ich keine weiteren Tastversuche mehr feststellen können. Seit er im Bild verschwand, hat sich nichts mehr gerührt. Es ist wie abgeschnitten.«
»Aber ich kann mir nicht vorstellen, daß er sein Interesse verloren hat. Ich glaube auch nicht, daß das Verbrennen des Bildes ihm Schaden zufügen konnte. Denn dann hätte es bestimmt eine stärkere magische Reaktion gegeben. Ich bin sicher, daß er noch irgendwo da draußen lauert. Er wartet jetzt auf unseren nächsten Schritt.«
»Vielleicht auch nur auf deinen nächsten Schritt«, korrigierte Nicole.
»Schon möglich. Wenn ich an seiner Stelle wäre, würde ich es ähnlich machen. Er hat was auf die Pfoten bekommen, und statt seinerseits wieder anzugreifen, wartet er ab, ob wir - oder ich -nachsetzen und ihm unsererseits auf den Pelz rücken wollen. Wenn er dann zulangt, hat er das Heimspiel. Dann müssen wir ihn nämlich in seiner Operationsbasis aufstöbern.«
»Aber vermutlich bleibt nichts anderes übrig.«
»Wir werden sehen«, sagte Zamorra. »Ich werde jedenfalls einen erneuten Kontaktversuch einleiten. Ich will wissen, wer und was er wirklich ist und warum er mich umbringen will - ohne es bisher zu tun. Ich bin sicher, er hätte es bei Mostache schon gekonnt. Aber warum bietet er es mir nur an? Was soll ich angeblich für ein Problem haben? Ich muß ihn zwingen, mir darauf Antworten zu liefern. Und ich hoffe, daß diese Antworten für beide Seiten befriedigend sind.«
»Wie willst du ihn dazu bringen?«
»Wir versuchen es draußen auf freiem Gelände. Ich werde ein paar Dinge zusammenpacken, die wir dort vermutlich benötigen, und dann beschwöre ich ihn wieder herbei. Wie die Formeln lauten, weiß ich ja inzwischen, und so etwas wie das verbrannte Bild werde ich jetzt nicht mehr benötigen. Ich muß nur wieder einen Sigill-Schädel formen. Er wird kommen müssen -und diesmal läuft er mir nicht so einfach davon. Auf freiem Gelände gibt es keine Wände, durch die er verschwinden und sich dahinter meinem Zugriff entziehen kann. Warte nur, Blauer, ich kriege dich schon noch…«
Nicole seufzte.
Sie war sich des Erfolges nicht gar so sicher. Sie konnte sich nicht vorstellen, daß der Blaue zweimal auf den gleichen Trick hereinfiel. Er hatte Zeit genug gehabt, sich etwas auszudenken, um der Beschwörung zu entgehen.
Wenn er ihr trotzdem folgen mußte -war er tatsächlich ein Dämon…
Mit allen Konsequenzen, die sich dadurch für die Abschirmung um Château Montagne ergaben…
***
Die Sommersonne meinte es auch an diesem Tag wieder etwas zu gut. Zamorra befürchtete, daß dafür wohl in ein paar Tagen ein Wettersturz kommen würde, der den Rest des Sommers in Regenfluten versinken ließ - es wäre ja nicht das erste Mal gewesen. Nicole und er fuhren ins Dorf hinunter und zu Mostache. Vielleicht hatte der Blaue sich in seiner menschlichen Gestalt im Dorf häuslich niedergelassen, und Mostache war der einzige, der Fremdenzimmer
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