0529 - Der Dschinn
dann die Arme hoch und drehte sich einmal vor Zamorra im Kreis. »Na, wie sehe ich aus?«
»Verflixt aufregend«, bemerkte er unruhig. »Aber solltest du da etwas verwechselt haben? Wolltest du mir nicht vorführen, was du heute in Rom an scharfen Klamotten eingekauft hast?«
»Siehst du das nicht?«
»Ich sehe eine bildschöne, splitternackte Frau, aber keine Kleider.«
»Dann sind deine Augen ja doch noch in Ordnung«, stellte Nicole vergnügt fest. »Sagte ich nicht, daß Rom tiefste Provinz ist? Die hatten doch wahrhaftig nichts, was ich nicht schon in Paris gekauft habe… tja, und da bin ich eben mit leeren Händen wieder heimgekehrt. Was du also siehst, ist das, was ich eingekauft habe - nichts.«
»Das ist eine Premiere«, murmelte er. »Zum ersten Mal…«
»Deshalb muß das auch gefeiert werden«, sagte sie und näherte sich ihm mit leicht wiegenden Hüften. »Was hältst du davon, für den Rest des Abends einen relativ harmlosen, aber recht hilfsbereiten Flaschengeist total zu vergessen und dich ausschließlich uns beiden zu widmen?«
»Keine schlechte Idee«, murmelte er. Nicole, ihre Liebe, ihre Zärtlichkeit, ihr Verlangen und ihre Hingabe, ihr aufregender Sex - das war genau das, was er zum Abschluß dieses Tages brauchte.
Er schloß sie in seine Arme und küßte sie. Sie wand sich lächelnd aus seinen Armen und wies auf die Weinflasche und die Gläser. »Chef, weißt du zufällig, wo Raffael den Korkenzieher zu deponieren pflegt?«
Im gleichen Moment trat Raffael ein.
***
»Verflixt, wer hat denn den gerufen?« entfuhr es Zamorra, und er konnte seine Stimme gerade noch so weit dämpfen, daß Raffael es vermutlich nicht hörte. Der Mann, der sich noch vor einer halben Stunde als äußerst mürrisch und abweisend gebärdet hatte, bewegte sich jetzt in der typisch steifen Dienerhaltung und balancierte ein Tablett vor sich her, als wolle er servieren.
Aber auf dem Tablett befanden sich weder Speisen noch Getränke, sondern nur - eine Flasche.
Und was für eine!
»Das ist sie!« entfuhr es Zamorra. Er kippte förmlich in einen der Sessel. Nicole glitt an seine Seite und hockte sich auf die Lehne, legte einen Arm um seine Schultern. »Die ominöse Flasche?« hauchte sie.
Zamorra nickte nur. Das Objekt, einer Vase wirklich ähnlicher als einer großen Flasche, entsprach genau Raffaels Beschreibung aus der Hypnose-Sitzung.
»Verzeihen Sie die Störung«, bat Raffael, wieder in seiner typischen Unterwürfigkeit. »Aber ich sehe mich genötigt, Ihnen jemanden vorzustellen.«
»Und wen bitte?« fragte Nicole.
»Hadschi Achmed Dawuhd ben Mustafa Ghalo ibn Hadschi Halef Gonarah ibn Hadschi Mohammed Mossawi ibn Hadschi Ali…«
»Wie bitte?« entfuhr es Nicole. »Kann man das auch irgendwie niederschreiben, buchstabieren oder überhaupt aussprechen?«
»Selbstverständlich!« sagte die sonore Stimme, die nicht Raffael gehörte, wie Zamorra schon bei den ersten Silben festgestellt hatte. »Mein Name lautet Hadschi Achmed Dawuhd ben Mustafa Ghalo ibn Hadschi Halef…«
»Ja, schon gut«, wehrte er ab. »Hast du auch eine Gestalt, Hadschi Achmed?«
Nicole stieß Zamorra an. »Hier… den hatte ich plötzlich in der Hand! Kannst du das zufällig lesen?«
Er warf einen Blick auf den Zettel, den sie ihm entgegenhielt. Er war mit arabischen Schriftzeichen bedeckt. Zamorra hatte etwas Schwierigkeiten, die Zeichen zu entziffern, da sie handschriftlich niedergelegt waren. Aber… »…das heißt ›Hadschi Achmed Dawuhd ben…‹«
»Schon gut«, bremste Nicole ihn. »Ist mir zu lang. Ich schätze, wenn wir ihn nur mit seinem Titel anreden, wird er nicht unbedingt beleidigt sein.«
»Ich scheine es endlich mit gebildeten Menschen zu tun zu haben«, sagte die Stimme. Aus dem Flaschenhals löste sich eine weiße Rauchwolke. Unwillkürlich zuckte Nicole zusammen. Sie erinnerte sich an ein Erlebnis. Der Korridor vor dem »Zauberzimmer«, die weiße Rauchwolke…
Die Wolke verformte sich und nahm menschliche Gestalt an. Ein buntgekleideter, recht alter Mann orientalischer Herkunft, mit weißem Haar und einem weißen, federgeschmückten Turban. Er verneigte sich vor Zamorra und Nicole - und zuckte recht heftig zusammen. »Darf ich Ihnen einen gutgemeinten Vorschlag machen, Mademoiselle Duval? Sie sollten Ihre Blöße bedecken. Vielleicht kann ich Ihnen in dieser Hinsicht behilflich sein. Es geziemt sich nicht, so…«
Da landete er bei der recht freizügigen Nicole natürlich an der falschen Adresse.
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