0529 - Der Würgeadler
hockte nach wie vor im Fond.
Nur etwas hatte sich verändert. Van Akkeren hatte die Scheibe an seiner Seite nach unten gekurbelt, um Platz zu schaffen für die Vögel, die sich in dem Fahrzeug und in der Nähe des Grusel-Stars sehr wohl zu fühlen schienen…
***
»Das darf doch nicht wahr sein!« flüsterte Suko. »Unser Grusel-Star als Vogelfreund.«
»Das bestimmt nicht«, sagte ich. »Den kann ich mir kaum als Taubenkaspar vorstellen.«
»Er scheint sich mit den Tierchen angefreundet zu haben«, sagte Suko. »Die haben wohl aufeinander gewartet.«
Auch die Familie Grenier stand in unserer Nähe. Sie schauten durch das zweite Fenster neben der anderen Türseite und wußten nicht, was sie von der neuen Szene halten sollten.
»Ihm tun die Krähen nichts«, sagte Pierre. »Der Mann versteht sich gut mit ihnen.«
»Dann ist genau das eingetreten, vor dem die Menschen in der Würgeadler-Legende gewarnt haben.« Jacques Grenier nickte und holte dabei schnaufend Atem.
»Packen wir ihn?« fragte Suko.
»Das meine ich doch.«
Paul Grenier trat hinter uns. »Was werden Sie denn mit dem Mann machen?« fragte er leise.
»Ihn im Wagen lassen«, erwiderte Suko und öffnete die Haustür.
Er trat zuerst ins Freie. Ich war ihm gefolgt, und beide ließen wir unsere Waffen stecken.
Soeben verließen zwei Vögel den Wagen. Sie hatten sich auf den unteren Rand der Fensterscheibe gesetzt. Mit heftigen Flügelbewegungen flatterten sie davon, drehten eine Schleife über uns, um sich danach auf dem Dach des Grenierschen Hauses niederzulassen.
Die Familie hatte es von der größten Schneelast befreien können.
An einigen Stellen schimmerten die Schindeln durch.
Van Akkeren sah uns zwar kommen, er selbst rührte sich nicht.
Unbeweglich blieb er auf dem Rücksitz hocken und wartete ab.
Anscheinend schienen die Vögel vor uns Respekt zu haben. Als ich die Fahrertür aufriß, da verschwanden die restlichen drei durch das hintere Seitenfenster und gesellten sich zu ihren beiden Artgenossen auf dem Hausdach.
Van Akkeren grinste uns an. In seinen Augen glänzte es kalt.
»Na«, sagte er, »habt ihr es euch anders überlegt?«
»Was sollten wir uns denn überlegt haben?« fragte Suko.
»Vielleicht habt ihr schon gespürt, was hier läuft. Nicht ohne Grund sind wir hier gelandet! Ich habe es bereits gemerkt. In diesem Ort kann ich mich wohl fühlen. Mir haben einige Vögelchen etwas gezwitschert.«
»Und was?«
»Der Adler wird kommen!« sagte er leise. »Der Würgeadler. Wie so oft haben die Menschen Fehler begangen. Sie hätten den Adler damals nicht jagen sollen. Es ist nicht tot, er lebt, und er wird kommen. Ich spüre seine Gedanken.«
»Das ist wunderbar«, sagte ich. »Dann können Sie uns auch sicherlich sagen, was er vorhat?«
»Bin ich denn verrückt? Nein, Sinclair, nein. Das geht alles ganz anders vonstatten.«
»Und wie?«
»Ihr werdet es sehen, ihr werdet es spüren. Es ist fraglich, ob ihr mit dem Leben davonkommt. In Cerbac habt ihr es gerade noch einmal geschafft, hier wird es härter, viel härter. Wenn sich der Adler aus dem Berg erhebt, beginnt die Welt zu zittern. Dann bricht der Boden auf, um das Böse zu entlassen.«
Ich drehte ihm wieder den Kragen um. Dieser Mensch machte mich wahnsinnig. Nicht daß ich ihn direkt haßte, aber ich steckte voller Zorn, was seine Person betraf.
»Will der Adler den Ort zerstören?«
»Vielleicht!« krächzte van Akkeren zurück. »Vielleicht auch nicht. Jedenfalls werdet ihr euch wundern. Er hat sehr genau gespürt, daß sein Verbündeter eingetroffen ist. Das bin ich, wie ihr euch denken könnt. Ich bin derjenige welcher…«
Ich ließ ihn los und hatte danach den Wunsch, mir die Hände waschen zu müssen.
Er würde uns nichts mehr sagen, so gut kannte ich ihn inzwischen. Van Akkeren war ein Typ, der alles auf sich zukommen ließ.
Er befand sich in einer fiebrigen Erwartung. Noch vor wenigen Stunden hatte er ausgesehen wie der große Verlierer, das war nun anders geworden. Wieder einmal hatte er Hilfe bekommen, und mich regte das auf. Das Schicksal hatte seine Fäden verflixt eng geknüpft, und sie führten oft an uns vorbei, wobei wir sie anschließend entwirren mußten.
»Geht!« rief er uns zu. »Geht und verkriecht euch im Haus. Aber es wird euch nichts nutzen, das kann ich versprechen. Der Würgeadler kommt frei. Bald sogar.« Er riß die Augen weit auf und lachte uns hart an.
Ich mußte mich beherrschen, um nicht auszuflippen. Suko merkte es und zog
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