053 - Der Brigant
ihnen auch keine besseren Schlafplätze. Ich habe Schiffsreeder gekannt, die den Witwen der einfachen Seeleute, die durch feindliches Geschützfeuer getötet wurden, nur zwanzig Pfund zahlten.«
»Das scheint mir allerdings sehr wenig zu sein«, meinte Bill.
»Sehr wenig! Gott im Himmel, hast du eine Ahnung, Bill! Weißt du denn, was man für zwanzig Pfund kaufen kann? Dafür kann man sechs große Flaschen Champagner haben, fünfzig Zigarren Colorado Claros - oder zwanzig Körbe Pfirsiche!
Und diese Leute erklären großherzig, daß sie auf all diese Genüsse verzichten wollen, damit eine einfache Frau, die nicht einmal Champagner von Apfelwein unterscheiden kann und die noch nie einen Pfirsich gegessen hat, ihr ganzes Leben in Luxus zubringen kann!«
»Doch nicht etwa für zwanzig Pfund?« fragte Bill ungläubig.
»Du hältst mich zum besten!«
»Vielleicht habe ich auch nur einen Scherz gemacht - aber Theodore Match, der niemals einen Pfennig für Wohltätigkeitszwecke gegeben hat, wird jetzt dem Urenkel eines braven Mannes, der bei Trafalgar mitgekämpft hat, die nötigen Mittel zur Verfügung stellen, um in die Höhe zu kommen. Mit dem Urenkel meine ich mich selbst - mein Urgroßvater war nämlich ein Seemann, und wir haben sein hölzernes Bein viele Jahrzehnte in der Familie als Andenken bewahrt.«
Bill klopfte die Asche aus seiner Pfeife.
»Match ist gerade kein schlechter Mensch«, entgegnete er. »Er hat eine neue Bibliothek gestiftet.«
»Du brauchst Mr. Match nicht in den Himmel zu heben. In der nächsten Liste der Standeserhebungen werden wir auch den Namen Sir Theodore Match finden. Aber er weiß noch nicht, wie großzügig seine Wohltaten sein werden. Sage einmal, ist dein Tabak nicht teurer geworden? Ist das Fleisch nicht in die Höhe gegangen? Kostet das Brot nicht mehr? Sind nicht alle Preise der Waren gestiegen, die von Übersee kommen? Wer hat deiner Meinung nach wohl die Extragelder eingesteckt? Die Pflanzer und Farmer haben ja auch eine Kleinigkeit davon erhalten, die haben aber auch dafür gearbeitet, und ihnen will ich keinen Vorwurf machen, im Gegenteil, ich wünsche ihnen weiteres Glück. Aber Theodore Match hat weit mehr davon gehabt, als auf seinen Anteil fällt. Er hat von allem profitiert, er hat auf alles eine Taxe gelegt - auf alles, was wir essen und trinken oder sonstwie verbrauchen. Er hat einfach seine Frachtsätze erhöht. Kohle ist teurer, Arbeit ist teurer - kurzum alles ist teurer. Aber er ist der teuerste von allen. Bei ihm ist nichts billig, es sei denn das Leben der Leute, die auf seinen Schiffen arbeiten und die er in seinem Geschäft angestellt hat. - Und nun möchte ich dir nur noch sagen, daß ich diesen Mann mit achttausend Pfund auf die Zeichnungsliste für ›Anthony Newtons Altersheim für Seeleute‹ eingetragen habe - und du kannst gewiß sein, daß ich die Summe auch von ihm bekomme.«
Bill Farrel nickte langsam und sah seinen Kameraden bewundernd an.
»Ich wette, daß du dein Ziel erreichst«, erwiderte er begeistert.
Die Theodore Steamship Line ist eine der bedeutendsten Frachtlinien Englands, wie jedermann weiß. Sie verfügt über eine Flotte von fünfundzwanzig großen Schiffen, die nach Südamerika und nach China fahren, hauptsächlich aber zwischen England und Nordamerika verkehren. Vor dem Kriege machte sie sogar ein großes Geschäft zwischen Hamburg und Ostafrika.
Die Hauptbüros dieser Firma waren in Newcastle, und Anthony Newton reiste mit seinem tüchtigen Adjutanten dorthin, um seinen Plan auszuführen. Sie kamen spät am Abend an und mieteten sich im Bahnhofshotel ein.
Am nächsten Morgen machte er sich auf seinen ersteh Erkundungsgang. Die Büros der Theodore Steamship Line befanden sich in einem Häuserblock, der nicht weit vom Hotel entfernt lag. Aus der Geschäftigkeit der Angestellten und der Anzahl der Kunden, die in den verschiedenen Büros warteten, schloß Anthony, daß das Geschäft sehr gut ging.
Er trat in das Empfangsbüro, gab seine Karte ab und wurde sofort in das Privatbüro von Mr. Theodore Match geführt. Der Raum war groß und licht und halb mit Eichenpaneel bedeckt. An den Wänden hingen die Fotografien vieler Schiffe. Mr. Match selbst war ein Mann mittleren Alters, war liebenswürdig und hatte heitere Augen, denen man ansah, daß sie von Sorgen und Kummer dieser Welt nichts wußten.
Er schaute seinen Besucher durch seine goldeingefaßte Brille strahlend an.
»Ich freue mich, Sie kennenzulernen, Mr. Newton«, sagte
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