053 - Der Brigant
ohne Vaterland, einer, der die früheren Soldaten um ihren letzten Pfennig geprellt hat, ein männlicher Vampir!«
Er sah sich in dem Raum um. Alle schauten ihn erwartungsvoll und begierig an.
»Jungens«, sagte er feierlich, »meine verschiedenen Namen sind Ali Baba, Chu-chin-chao und Robin Hood, und ich werde eine Räuberbande zusammenstellen, aber nur für einen einzigen Anschlag. Unsere ruhmreiche Fahrt mag uns schließlich auch ins Gefängnis von Wandsworth bringen, aber das glaube ich nicht. Die Sympathien der Allgemeinheit werden auf eurer Seite sein, wenn man euch faßt, obwohl das wahrscheinlich nicht ausreichen würde, um euch vor Gefängnisstrafen zu schützen. Ich frage euch nun, wollt ihr mitmachen?«
Das Hurrageschrei, das sich jetzt erhob, störte die alten Rechtsanwälte, die in den Büros unter ihnen arbeiteten.
»Gehen Sie ruhig wieder hinunter und sagen Sie Ihren Chefs«, erklärte Anthony dem Angestellten, der heraufkam, um sich diesen Lärm zu verbitten, »daß es uns sehr leid tut, daß wir ihnen solche Unannehmlichkeiten bereitet haben. Aber wenn die Sache zum Schlimmsten kommt, werden wir ihnen auch unsere Verteidigung vor Gericht übertragen!«
Der bestürzte Büroschreiber brachte die Botschaft nach unten, aber seine Chefs konnten mit dem besten Willen nicht aus seinen Worten klarwerden. - Am folgenden Mittwoch abend, als die Straßen schon ganz verlassen dalagen, hielt ein großes Auto vor dem Haus Nr. 903 Cadogan Gardens. Es war ein alter Wagen, der einen dementsprechenden Lärm beim Fahren machte. Der arme Wagen war allerdings auch dazu berechtigt, denn er war stark überlastet. Acht Mann stiegen aus, und im günstigsten Fall war er für fünf Personen bestimmt.
Anthony klopfte an die Tür. Der livrierte Diener öffnete, aber bevor er irgendwie um Hilfe rufen oder die Klingel an dem Holzpaneel erreichen konnte, hatte sich Bill Farrel auf ihn geworfen und ihm mit der Hand den Mund verschlossen.
Einer der acht nahm seinen Posten an der Tür ein, die zum Salon führte, wo getanzt wurde. Die übrigen eilten unter Anthonys Führung die Treppe zu dem Spielsalon hinauf.
»Ruhe!« rief Anthony mit einer achtunggebietenden Kommandostimme durch den Raum. »Ich erkläre Sie alle für verhaftet. Nehmen Sie den Mann, Sergeant!« Er zeigte auf den Croupier, der zusammenzuckte.
Gleich darauf erhob sich ein Stimmengewirr, ein Schrei wurde laut, als eine Dame ohnmächtig umfiel, aber das waren ja Zwischenfälle, die in solchen Situationen nicht zu vermeiden waren. Anthony zog einen großen Leinensack hervor und fegte das ganze Geld, das auf dem Platz des Croupiers lag, rasch hinein, während Bill Farrel die Diener in einen besonderen Raum führte und dort einschloß.
»Ich kenne alle Ihre Namen und Adressen«, sagte Anthony dann. »Ich werde Sie heute abend nicht verhaften, aber Sie bleiben hier in diesem Raum, bis mein Sergeant, der draußen Wache hält, Ihnen erlaubt, das Haus zu verlassen.«
Fünf Minuten später raste der Wagen zum Berkeley Square. Hier spielte sich derselbe Vorgang ab, nur leistete der Diener am Tor weniger Widerstand. Anthony eilte die Treppe hinauf, aber als er in den Spielsalon trat, blieb er erschrocken stehen.
Denn die beiden ersten Menschen, die er sah, waren Jepburn und die Dame in Grau. Sie sprang entsetzt auf, als sie die vielen Leute im Gang sah. Jepburn blickte sich verzweifelt um und erhob sich dann auch langsam.
»Was hat das zu bedeuten?« fragte er.
Aber Anthony antwortete ihm nicht, er starrte nur die Frau an.
»Die Polizei«, sagte sie atemlos.
Anthony kam wieder zu sich.
»Alle Spieler stellen sich der Wand entlang auf!« befahl er. Mit drei Schritten war er an der Seite des Croupiers und warf wieder den großen Haufen Banknoten und Geld in seinen offenen Sack. Gleich darauf trat er zu Mrs. Martin.
»Ich muß mit Ihnen sprechen«, sagte er ruhig.
Er ging mit ihr auf das einsame Treppenpodest hinaus.
»Was machen Sie hier?«
»Ich bin - ich bin die neue Hausherrin«, stammelte sie.
»Was, die neue Dame des Hauses?« fragte Anthony, der seinen Ohren nicht trauen wollte. »Was meinen Sie damit?«
»Ich bin in der Schuld Mr. Jepburns. Er hat von mir Schuldscheine im Wert von dreitausend Pfund«, erklärte sie, vermied es aber, ihm in die Augen zu sehen.
»Aber ich dachte doch ...« »Sie dachten, ich wäre wohlhabend«, entgegnete sie bitter.
»Aber Sie sehen, ich bin es nicht. Der arme Jim hat mir nur wenig Geld hinterlassen, das ich längst
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