053 - Die Schlacht von El'ay
Beobachter Naoki wohl eher für seine Schwester gehalten hätte. Bionische Implantate und nachgezüchtete Organe machten es möglich. Obwohl bereits weit über 500 Jahre alt, wirkte sie gerade dem Teenageralter entwachsen. Im Gegensatz zu ihrer ersten Begegnung mit Matt und Aruula, bei der sie nicht viel mehr als Lendenschurz und Netzmantel getragen hatte, wirkte Naoki in einem weißen, auf Maß geschnittenen Kleid wie die seriöse Medizinerin, die sie in Wirklichkeit war. Der künstliche Arm, den sie - in einer Art Selbstkasteiung - nicht durch Hautimplantate tarnte, tat ihrer Schönheit keinen Abbruch. Der Kontrast zu ihrem lieblichen Aussehen machte sie nur noch interessanter.
Erfreut reichten sich alle die Hand. Es war ein kurzer Moment spontaner Verbundenheit, der Matt zeigte, wie richtig er gehandelt hatte. Hier in Amarillo gab es nicht nur das nötige Equipment, um die Speicherkristalle auszuwerten, sondern auch Menschen, denen er vertrauen konnte.
»Eigentlich müsste ich ja böse auf euch sein«, scherzte Aiko derweil. »Einfach so aus der Klinik meines Vaters zu verschwinden, ohne mir Auf Wiedersehen zu sagen.«
Matt spürte, wie das Lächeln auf seinen Lippen erstarb. Von einer Sekunde auf die andere schien die Raumtemperatur um zehn Grad zu sinken. Er fröstelte. Vor allem deshalb, weil er nicht wusste, ob Aikos angeschlagene Gesundheit eine ehrliche Antwort zuließ.
Aruula war da weniger zimperlich. »Wir sind nicht freiwillig gegangen«, sagte sie gerade heraus. »Miki Takeo hat uns an General Crow verraten.«
»Das glaube ich nicht«, stieß Aiko spontan hervor, doch schon Sekunden später zeichnete sich auf seinem Gesicht die bittere Erkenntnis ab, dass er seinem Vater diese Tat durchaus zutrauen würde. Was wusste er schon von diesem Maschinenwesen, das lediglich über ein vor achtzig Jahren gespeichertes Gedankenmuster des einstigen Takeo verfügte? Hatte er sich nicht vor kurzem erst geschworen, lieber zu sterben, als sich weiter technisch aufzurüsten und ein Leben als Android [2] zu verbringen?
Matt blieb der innere Widerstreit des Cyborgs nicht verborgen. Während er nach einem diplomatischen Weg suchte, die schmerzhafte Wahrheit zu verkünden, fiel sein Blick auf Naoki, die sichtlich um Fassung rang. Um ihre Verlegenheit zu überspielen, bot sie ihren Gästen Platz an.
»Erzählt in Ruhe, was vorgefallen ist«, bat sie.
Smiley und Sonja Tuckson holten sich ebenfalls Stühle. Matt war das nur Recht. Was er zu sagen hatte, ging die ganze Enklave an.
Unter den gebannten Blicken der Cyborgs berichtete er von ihrer Entführung durch die Weltrat-Schergen und dem Flug in den Orbit. Als er von den Rauschzuständen auf der ISS erzählte, wurden Naokis Mandelaugen noch schmaler, als sie schon von Natur aus waren.
Zum Schluss zog Matt die beiden eigroßen Speicherkristalle aus den Seitentaschen seiner Uniformhose und berichtete von den Aufzeichnungen, die darauf enthalten waren.
»Du willst dieses Wissen mit uns teilen?«, zeigte sich Naoki gerührt. »Nach allem, was dir einer der unseren angetan hat?«
»Takeo gehört doch schon seit Jahrzehnten nicht mehr zu eurer Enklave«, wiegelte Matt ab. Dass er außerdem gar keine Alternative hatte, behielt er wohlweislich für sich. Vielleicht war es nicht schlecht, wenn sich die Cyborgs in seiner Schuld fühlten.
»Allerdings zeigen die Erfahrungen mit Carter und Takeo, dass künstliche Gehirne ihre Tücken haben«, fügte er vorsichtig hinzu. »Ihr müsst Vorsorge treffen, dass eure implantierten Memorychips nicht eines Tages zu ähnlichen Verhaltensstörungen führen. Sonst wird euch außerhalb der Enklave niemand mehr trauen.«
Die Cyborgs schwiegen betroffen. Sicher, sie hatten sich durch die Jahrhunderte so gut es ging von der Außenwelt abgeschottet, doch auch sie kamen nicht ohne Handel und Gedankenaustausch aus. Dass man sie aus berechtigtem Misstrauen wie Aussätzige behandeln könnte, behagte ihnen gar nicht.
***
»Mein Labor und alle anderen Geräte der Enklave stehen dir zur Verfügung«, fand Naoki als erste zum Gespräch zurück. »Ich werde umgehend eine Sitzung des Wissenschaftsrats einberufen, um die entsprechenden Formalien zu klären. Leider kann ich dir nicht persönlich bei der Auswertung zur Seite stehen, Maddrax. Ich werde umgehend eine Expedition nach El'ay ausrüsten. Miki muss sich für seine Taten verantworten.«
»Ich habe auch noch ein ernstes Wort mit Vater zu reden«, stimmte Aiko zu.
»Außerdem will ich diesem
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