053 - Manitous Fluch
Männer, die dem Arzt gefolgt waren, legten Kent Fleming auf ihre Bahre.
»Kennt jemand diesen Mann?« fragte der Bobby in die Runde. »Hat jemand gesehen, wie's passiert ist?«
Der Rettungsarzt wartete das Ergebnis dieser Umfrage nicht ab. Er stieg in den Transportraum und setzte dem Bewußtlosen die Sauerstoffmaske auf.
»Machen Sie schnell, Collins!« rief er dem Fahrer durch das offene Schiebefenster zu. »Jede Sekunde ist jetzt kostbar.«
Collins schaltete Lichtspiele und Musik ein, wie er das nannte, und raste los. Der Beifahrer setzte sich über Funk mit der nächstgelegenen Klinik in Verbindung.
»Die sind voll«, sagte er. »Sie bringen beim besten Willen keinen Patienten mehr unter.«
»Versuchen Sie's im Guilford Hospital«, verlangte der Arzt.
Damit hatten sie Glück. Das Notärzteteam traf sogleich die erforderlichen Vorbereitungen.
Collins fuhr schnell und sicher. Er kannte den Großstadtverkehr, wußte von seinen Tücken und wie man sich die kleinsten Vorteile zunutze machte.
Es gab keinen besseren Fahrer als ihn. Wenn Kent Fleming durchkommen sollte, dann war das in erster Linie der Tüchtigkeit dieses Rettungsfahrers zu verdanken.
Der Arzt versuchte unterdessen die Blutung einzudämmen. Ihm waren schon die seltsamsten Verletzungen untergekommen, aber noch nie hatte er erlebt, daß jemand versucht hatte, einen Menschen totzubeißen.
Collins sah den Beginn eines Staus, reagierte sofort und fuhr eine Einbahnstraße in verkehrter Richtung hoch. Ein Auto kam ihm entgegen. Das Mädchen am Steuer wußte nicht, was es tun sollte. Collins wedelte mit der Hand.
»Herrgott noch mal, euch Autofahrerinnen hat der Teufel im Zorn geschaffen!« schrie er zum Fenster hinaus. »Fahren Sie auf den Gehsteig! Nun machen Sie schon! Wir fahren nicht zum Vergnügen verkehrt durch diese Einbahn!«
Endlich war die Straße frei. Collins drückte sofort wieder voll aufs Gas. Der Rettungsarzt befürchtete, daß der Kreislauf des Patienten völlig zusammenbrechen würde. Um das zu verhindern, zog er rasch eine Spritze auf. Er reinigte die Einstichstelle mit Wundbenzin und stach die Kanüle in den Arm des Schwerverletzten. Langsam drückte er den Kolben nach unten.
Dann nahm er sein Stethoskop zur Hand und lauschte nach den Herztönen, die trotz der Injektion immer schwächer wurden und schließlich aussetzten.
Der Doktor versuchte den Mann mit heftiger Herzmassage wieder ins Leben zurückzuholen, doch all seine Bemühungen waren vergebens. Resignierend drehte der Arzt das Rädchen des Sauerstoffgeräts zu und nahm dem Toten die Maske ab.
»Collins.«
»Ja, Doktor?«
»Fahren Sie langsamer, und stellen Sie das Signal ab. Wir haben es nicht mehr eilig. Der Mann ist tot.«
»Verdammt«, sagte Collins und nahm Gas weg. Er hatte wieder einmal ein Wettrennen mit dem Tod verloren.
***
Schwer keuchend erreichte ich den Peugeot, ließ mich hinter das Lenkrad fallen und riß den Hörer des Autotelefons aus der Halterung. Ich durchstöberte meine Taschen, suchte den Zettel, auf den Mr. Silver Adresse und Telefonnummer der McGuires geschrieben hatte, konnte ihn in der Eile nicht finden.
Der Ex-Dämon half mir. Er fingerte in meine Brusttasche und holte das zusammengefaltete Papier heraus. »Danke«, sagte ich und tippte die Nummer.
Es läutete, läutete, läutete im Haus der McGuires. Ungeduldig trommelte ich auf das Lenkrad. Verena McGuire meldete sich nicht. Ich hatte das Gefühl, jemand würde mir mit einem Eiszapfen über den Rücken streichen.
War Gordon McGuire inzwischen zu Hause eingetroffen? Konnte Verena nicht mehr abheben? Mir fiel das Schlucken schwer.
»Vielleicht hat sie nur kurz das Haus verlassen«, sagte Mr. Silver.
»Das hoffe ich für sie«, sagte ich krächzend. »Und ich wünsche ihr, daß sie die Orientierung verliert und nicht mehr heimfindet. Jedenfalls für ein paar Stunden… Los, Freunde! Einsteigen, Türen zu, es geht wieder los!«
Sobald Pater Severin und Mr. Silver im Wagen saßen, gab ich den 110 PS tüchtig die Sporen. Ich zischte ab wie ein Rennfahrer, der seine Pole Position verläßt.
Nach zehn Minuten wählte ich dieselbe Nummer noch mal. Mir wäre ein Stein vom Herzen gefallen, wenn ich Mrs. McGuires Stimme vernommen hätte, doch die Frau machte mir nicht die Freude. Die quälende Ungewißheit ließ mich altern. Ich hatte das Gefühl, grau zu werden und Falten zu bekommen.
Sollte nach Gordon McGuire auch seine Frau zum Zombie werden?
Der Himmel möge es verhindern! dachte
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