053 - Schrei, wenn dich der Hexentöter würgt
tief waren sie in den Wald
gerannt...
Während er in diesem Augenblick seinen dunkelgrünen
Ford 12M durch die einsamen, stillen Straßen des Dorfes steuerte, lief vor dem
inneren Auge des unheimlichen Michael Thielen noch einmal alles wie ein Film
ab. Er sah es in leuchtenden, klaren Farben vor sich, jene Nacht, die ihm zum
erstenmal zeigte, wie dünn die Grenze zwischen Traum und Wirklichkeit
eigentlich war.
Jetzt sah er wieder das Gesicht der Blonden vor sich.
Das Mädchen aus dem Gasthaus... wie anschmiegsam und zärtlich sie war, wie
bereitwillig. Es beglückte sie, daß dieser junge, gutaussehende Mann sie
begehrte. Er streifte einfach ihr Kleid ab, schnell und geübt. Ihre Lippen
brannten auf seinem Mund. Er hörte ihren raschen Atem, fühlte den
beschleunigten Schlag ihres Herzens. Ihr Körper drängte sich an ihn. Mit einem mal wurden seine Hände kalt und brutal. Ein erstaunter
Aufschrei kam über die Lippen der Blonden, als seine Zärtlichkeit zur
Brutalität wurde. Sie blickte ihn an, und jetzt verwandelte sich ihr eben noch
liebliches Antlitz in eine Fratze des Entsetzens. Sie schrie, riß sich von ihm
los und verlor ihr Kleid. Ihre langen, nackten Beine leuchteten in der
Dunkelheit zwischen den dunklen Baumstämmen. Michael Thielen setzte hinter der
Fliehenden her und begriff wieder einmal, daß er in einer anderen Zeit lebte
und daß er gar nicht Michael Thielen war, sondern Martinus, der Hexenjäger...
Das Mädchen schrie aus Leibeskräften und versuchte,
dem Mann zu entkommen, der vor ihren Augen eine seltsame Verwandlung erfuhr. Aus
dem jungen, gutaussehenden, sympathischen Burschen war ein abstoßender,
brutaler Mann geworden, mit knochigen, blutleeren, wie mit dünnem Pergament
überspannten Händen! Seine fiebernden Augen, der Blick eines Wahnsinnigen !
Und das Haar, eben noch gut frisiert – lag jetzt strähnig und ungepflegt auf
seinen Schultern, Haar, das innerhalb eines Augenblicks zur vierfachen Länge
gewachsen war. Da packten sie knochige Hände, rissen sie zu Boden. Das Mädchen
jammerte. Es hallte durch den Wald. Aber da war
niemand, der zu Hilfe eilte. Das Wirtshaus war viel zu weit entfernt.
Die Halbentkleidete schlug und setzte sich verzweifelt
zur Wehr. Diese Nacht war ein Alptraum.
Die Hände des Unheimlichen legten sich um ihren Hals,
drückten hart und unbarmherzig zu, bis ihr die Sinne schwanden.
Sie merkte nichts mehr, als sie vom Boden aufgehoben
und durch den Wald geschleppt wurde.
Martinus, der Hexenjäger, trug seine Beute zu dem
bereitstehenden dunkelgrünen Auto. Was für eine Ironie, was für ein
Anachronismus! Thielen fiel dieser Umstand selbst im Rausch auf, als er sich noch
unter der Wirkung der Droge befand. Vergangenheit und Gegenwart mischten sich
zu einer gespenstischen Kulisse. Er erreichte das einsame Haus, in dem sich
sein Labor befand und in dem er lag und schlief. Er trug den reglosen
Mädchenkörper in den Keller und stieß die dunkle, massive Tür, die er selbst
zusammengenagelt hatte, auf. Er betrat die Folterkammer. „ Du bist eine Hexe! Ich werde es feststellen, ob du schuldig bist oder nicht. Aber ich sehe dir
das schon an. All die Schönen und Blonden, sie sind immer schuldig. Immer... “
Er hörte seine Stimme ganz genau, und er machte eine weitere erstaunliche
Feststellung: Wieder war etwas Neues hinzugekommen in der Suche nach seinem
wirklichen Ich, nach dem Geheimnis seiner dunklen Herkunft, die doch irgendwo
in seinem Gehirn verankert sein mußte und nur der Loslösung aus dem
Unterbewußtsein bedurfte. Er sprach mit einer anderen Stimme und mit fremden
Worten . Er redete eine Sprache, die es nicht mehr gab, mit altdeutschen
Begriffen des Mittelalters. Er hatte diese Sprache nie gehört. Und doch
bediente er sich der Worte und verstand sie...
Er sah das ohnmächtige, gewürgte Mädchen auf der
Streckbank. Mit einem Kübel kalten Wassers brachte er es wieder zu Bewußtsein.
Und dann folgte das Verhör. Aber die Blondine antwortete nicht. Sie konnte nur
jammern, stöhnen, schreien und weinen... „Aber du mußt sprechen... du mußt! Ich
will es so! Ich will dein Geständnis hören!“ Sie seufzte und schrie vor
Schmerzen auf, wenn er die Räder weiterdrehte und die Gurte anzog, daß ihre Glieder
knackten. Wie ein Rausch durchlebte er das Geschehen. Er sah das Blut von ihren
Händen tropfen, als er die Daumenschrauben anzog, und die großen blauen
Flecken. Und dann wurde der Körper schlaff. Alles Leben wich aus ihm. Er hatte
die blonde
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