0530 - Land der Amazonen
nicht.
Wenn dieser Verdacht stimmte, saß er böse in der Falle. Dann gab es für ihn aus eigener Kraft keine Rückkehr zur Erde mehr. Er würde nach einem »normalen« Ausgang aus dieser Welt suchen müssen, vielleicht nach einem Weltentor. Denn daß die Landschaft, in der er sich jetzt befand, nicht auf der Erde existierte, war ihm schon beim Anblick der Pflanzen klar. Das hier war etwas absolut Fremdes, und es sah so bösartig aus, daß es durchaus in die Hölle gehören könnte.
Aber wer sollte einen Sinn darin sehen, ihn, Asmodis, in die Hölle zu zwingen? Mit der hatte er nicht mehr sonderlich viel zu tun. Was sollte er dort noch bewirken?
»Ruhig bleiben, Alter«, ermahnte er sich. »Verlier jetzt nur nicht die Nerven. Du mußt analytisch an die Sache herangehen. Untersuche deine Umgebung. Vielleicht kannst du daraus auf die Denkweise dessen schließen, der dich hierher versetzte. Versuche herauszufinden, ob es wirklich eine Art Dämpfungsfeld gibt, und untersuche dessen Struktur - wenn du kannst. Auch das hilft dir weiter; du kannst es dann vielleicht ausschalten oder umgehen. Und denke daran: Wer auch immer dich hier haben wollte, wollte dich lebend. Denn wenn er in der Lage war, dich gegen deinen Willen hierher zu versetzen, hätte er dich ebensogut töten können.«
Genug des Selbstgespräches als Denkhilfe. Nach dem Wort kam die Tat.
Hatte er gedacht.
In diesem Fall kam nach dem Wort die Bestie.
***
Sie materialisierten in einem fremden Wohnzimmer. Zamorra und Nicole sahen sich sichernd um und gingen auf Abstand, während Merlin zunächst einmal starr dastand und seine Umgebung geistig auf sich einwirken zu lassen schien. Ziemlich weltfremd, fand Zamorra, denn in dieser Zeit der Starre hätte Merlin jederzeit von in dem Zimmer anwesenden Personen angegriffen werden können.
Aber es gab hier niemanden.
»Hier soll Assi wohnen?« entfuhr es Nicole. »Sieht aber gar nicht danach aus!«
»Glaubst du, er dekoriert sein Heim mit Totenschädeln, umgedrehten Kreuzen und ähnlichem Firlefanz?« entgegnete Zamorra.
»Das nicht«, sagte sie. »Aber diese Wohnzimmer sieht nicht danach aus, als ob es ausschließlich von einem Mann bewohnt würde. Hier hat Frauenhand bei der Einrichtung mitgestaltet. Sollte der alte Schwerenöter sich vielleicht ein Bratkartoffelverhältnis angelacht haben?«
Merlin hob fragend die Augenbrauen.
»So nannte man früher vereinfacht das, was sich heute in Behördensprache umständlich« uneheliches Zusammenleben »schimpft«, übersetzte Nicole.
Merlin winkte ab. »Ich wüßte davon.«
»Oft weiß nicht einmal der eheliche - oder eben nichteheliche - Lebensgefährte etwas davon, wenn jemand ein Verhältnis eingeht… warum sollte dann ausgerechnet die Verwandtschaft davon etwas wissen? Auch wenn's sich um den Bruder handelt?«
»Ich wüßte etwas von der ständigen Präsenz eines anderen Wesens in diesem Haus!« beharrte Merlin. »Vergiß nicht, daß die Bildkugel im Saal des Wissens mir viel mehr zeigt, als auch der beste Privatdetektiv jemals erschnüffeln und notfalls seinem Bericht hinzulügen könnte! Vergiß aber auch nicht, daß ein Wesen wie Sid Amos nicht an ein bestimmtes Geschlecht gebunden ist. Er vermag auch in Gestalt einer Frau zu agieren. Vielleicht stammt daher dein Eindruck, was die Einrichtung dieses Zimmers betrifft…«
Zamorra räusperte sich.
»Wenn ihr fertig seid, sollten wir uns um den eigentlichen Grund unseres Hierseins kümmern«, sagte er. »Schauen wir uns mal in den anderen Räumen um.«
Merlin beteiligte sich nicht an dieser Aktion. Er blieb im Wohnzimmer zurück, während Zamorra und Nicole sich in den anderen Zimmern, im Keller und auf dem Dachboden umsahen - eine reine Routineaktion, um sich zu vergewissern, daß sie allein hier waren und nicht jemand auf sie lauerte.
Auf die Warnungen des Amuletts mochte Zamorra sich nicht mehr unbedingt verlassen. Vor dem Flaschengeist hatte es auch erst gewarnt, als er bereits in unmittelbarer Nähe aktiv wurde. Allerdings war der Dschinn auch kein Schwarzmagier gewesen…
Die Zimmer machten einen durchaus bewohnten Eindruck, waren aber leer. Als Zamorra ins Wohnzimmer zurückkehrte, untersuchte Nicole den Teppich und eine Schrankkante. »Blut«, erläuterte sie.
»Schwarz«, erkannte Zamorra. Obwohl sich auch rotes Blut irgendwann annähernd schwarz färbt, wenn es nur lange genug Zeit zum Vertrocknen hat, war der Unterschied für den Experten noch zu erkennen. Das hier war eindeutig Schwarzes
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