0534 - Die Hexen des Spuks
sehr lange her, und es war ein guter Zeitpunkt, wie ich im nachhinein erkannt habe. Ein sehr guter sogar, denn ich kam gerade zurecht, um zu erfahren, daß sie ihre Gräber tatsächlich verlassen haben, und zwar so gut wie unverwest. Jetzt sind sie frei, und in ihnen steckt ein Stück des Spuks. Er hat einfach einen Seelenaustausch bei ihnen vorgenommen. Seinen Odem hat er ihnen eingehaucht.«
Frauke Feddersen und ich hatten den Erklärungen der Frau schweigend gelauscht. Frau Feddersen mehr mit einem bleichen, blassen Gesichtsausdruck, ich allerdings wesentlich gespannter und auch wissender. Was mir Helga Thorm da berichtete, war keine Spinnerei, das wußte ich verdammt genau, denn auch ich hatte dem Spuk, dem letzten der Großen Alten, schon mehrmals gegenübergestanden.
»Nun, Sinclair?« fragte sie mich. »Überrascht?«
»Nein.«
»Aber ich«, sagte Frau Feddersen. »Ich weiß überhaupt nicht, weshalb Sie zu mir gekommen sind und so etwas Schreckliches erzählen. Das ist unverschämt.«
»Reg dich ab, Frauke!«
»Ich will nicht, daß Sie mich duzen.«
»Also gut. Regen Sie sich ab. Es hatte schon seine Gründe, darauf können Sie sich verlassen. Sie werden Sie nicht kennen, aber ich würde an Ihrer Stelle mal Ihren Schwiegervater fragen.«
»Er und seine Frau sind unterwegs.«
»Schade.« Die Thorm hob bedauernd die Schultern.
»Was könnte er denn wissen?« erkundigte ich mich. »Ist er besser informiert?«
»Das kann man wohl sagen. Schließlich hat er zu den Männern damals gehört, die nichts von den drei Freundinnen hielten. Er hat sie als Hexen, als okkulte Weibsleute und was weiß ich nicht alles verdammt. Deshalb bin ich zu Ihnen gekommen.«
»Das haben bestimmt auch andere aus dem Dorf getan«, sagte ich.
»Stimmt genau. Nur sind die meisten verstorben, und Feddersen war der Anführer. Er hatte sogar vorgehabt, das Haus abzubrennen, in dem die drei sich stets trafen. Als er es tun wollte, hatte der Spuk bereits ihre Seelen ausgetauscht.«
»Moment mal«, sagte ich. »Dann waren sie nicht tot, dann hat man sie nur lebendig begraben.«
»So ist es. Aber durch die Kraft des Spuks haben sie überlebt. Ist das nicht herrlich?«
Für sie vielleicht, für Frauke Feddersen und mich weniger.
Die junge Bäuerin stützte ihren Kopf in beide Handflächen.
»Wenn doch nur mein Mann hier wäre, der würde Ihnen etwas anderes erzählen. Leider ist er auf dem Feld. Ich wundere mich sowieso, daß er noch nicht zurückgekehrt ist.«
Mir kam plötzlich eine Idee. »Fährt er einen großen Traktor?«
Sie schaute mich erstaunt an. »Ja, einen großen grünen Trecker.«
»Den habe ich gesehen.«
»Wo?« Frauke Feddersen stand plötzlich unter Hochspannung.
»Auf der Straße, nicht auf dem Feld. Er war verlassen und…« Ich redete nicht mehr weiter, weil mich das harte Lachen der Helga Thorm unterbrach.
Mit der flachen Hand schlug sie so hart auf den Tisch, daß es schon knallte. Dann sagte sie mit scharfer, zischender Stimme. »Er wird nicht mehr kommen, liebe Frauke, denn meine drei Freundinnen haben sich ihn geholt. Er ist ein Feddersen, und er wird das gleiche Schicksal erleiden wie die Frauen.«
»Was meinen Sie damit?« Frauke saß wie auf dem Sprung.
Die Antwort erfolgte beinhart. »Man wird ihn lebendig begraben!«
***
Ich hatte damit gerechnet, daß Frauke Feddersen der Fremden an die Kehle springen würde, das geschah nicht. Sie riß sich zusammen, wurde kalkblaß und war nicht einmal mehr in der Lage, einen Kommentar abzugeben.
Dafür konnte ich sprechen. »Stimmt das?« fragte ich.
»Weshalb sollte ich lügen?«
»Wann wird es geschehen?«
»Ich weiß es nicht. Sie werden ihn sicherlich schon in ihrer Gewalt haben.«
Daß die Person bluffte, daran wollte ich nicht glauben. Nein, ich hatte den verlassenen Traktor gesehen, der den Weg versperrte und mich darüber gewundert. Jetzt hatte man mir die Erklärung nachgeliefert, und sie war verdammt schlimm gewesen.
»Na, Sinclair, was sagen Sie?«
»Die drei Freundinnen oder die Hexen des Spuks haben also einen Unschuldigen in ihrer Gewalt!«
»Unschuldig? Daß ich nicht lache. Jeder Feddersen ist schuldig, besonders dann, wenn er ein direkter Nachkomme dieser Familie ist.« Sie schaute Frauke an. »Es gibt kein Zurück mehr. Ich bin gekommen, um dir zu erklären, daß sich dein Mann in den Klauen der drei Frauen befindet. Er wird von ihnen lebendig begraben.«
Er wird von ihnen lebendig begraben, hatte sie gesagt. Also war er noch
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