0535 - Shironas Nebelgeister
ist, und nicht zu schnell. Es könnte sein, daß ich Ihnen scheinbar unmotiviert einen Stopbefehl gebe, und seien Sie mir dann nicht böse, wenn die Anweisungen vielleicht etwas schroff kommen.«
»Sie suchen etwas? Darf ich wissen, was das ist?«
Zamorra lachte leise. »So ganz genau weiß ich das selbst noch nicht«, sagte er. »Aber ich werde es wissen, wenn ich in der Nähe bin.«
»Wie tröstlich«, murmelte Pete.
Zamorra fragte sich, ob er es wirklich erkennen würde.
Er hatte die Drohungen des Amuletts ernst genommen. Es lag in Tendyke's Home. Zamorra hoffte, daß er diesen Entschluß nicht bereuen mußte. Er fühlte sich etwas unsicher ohne Merlins Stern . Bisher hatte er sich meist auf den Schutz der Silberscheibe verlassen können. Diesmal nicht.
Und er besaß nicht einmal andere Hilfsmittel. Einem dämonischen Angriff war er jetzt hilflos ausgeliefert.
Und nicht nur er, sondern auch Monica und der Pilot des Hubschraubers.
Ganz abgesehen davon, daß er möglicherweise gar nicht erkennen würde, wo sich das andere verbarg…
Alles in allem war es eine Kateridee, ohne Hilfsmittel auf die Suche zu gehen. Aber ihm ging das Drängen des Amuletts nicht aus dem Kopf. Ist dir eigentlich klar, daß jede Minute, die du wartest, einen Menschen seine Seele kosten könnte? Geh dorthin, wo das andere lauert . Dann wirst du wissen, worum es geht.
Aber was dann?
***
Yves Cascal schlief noch, und weder Nicole noch seine Schwester sahen einen Sinn darin, ihn jetzt schon zu wecken. In ein paar Stunden würde er wieder durch das nächtliche Baton Rouge streifen und versuchen, den Lebensunterhalt für die kleine Familie zusammenzubekommen. Angelique, die hin und wieder als Bedienung in einer Kneipe arbeitete, hatte heute einen freien Tag. Freie Tage bedeuteten: kein Geld.
Nicole hatte es längst aufgegeben, Hilfe anzubieten. Dazu waren die Cascals viel zu stolz. Jeder von ihnen wollte auf den eigenen Füßen stehen können, ohne von anderen Menschen abhängig zu sein. Nicole verstand das, aber wenn sie sah, unter welchen Umständen die drei Geschwister hier hausten – nun, derzeit nur zwei, denn der rollstuhlfahrende Maurice hatte einen Studienplatz in einer anderen Stadt gefunden, lebte die Woche über dort und kam nur zum Samstag und Sonntag nach Baton Rouge zurück –, konnte ihr übel werden.
Trotz der knappen Kasse war Angeliques Gastfreundschaft ungebrochen. Sie stellte nicht nur die Tasse Kaffee auf den Tisch, sondern wollte auch noch Brot und Aufschnitt aus dem Vorratsschrank holen. »Kuchen kann ich dir leider keinen anbieten…«
Nicole winkte ab. »Kannst du dir vorstellen, daß jemand nicht nur hierher kommt, um sich bei euch durchzufressen?« fragte sie. »Wie geht es euch?«
»Wir leben. Yves ist wieder etwas unleidlich. Seit ein paar Tagen spielt sein Amulett verrückt.«
Nicole horchte auf. »Was meinst du damit?«
Yves Cascal, der nächtens als l'ombre , der Schatten, durch die Stadt strich, besaß eines der sieben Amulette, die der Zauberer Merlin vor fast tausend Jahren geschaffen hatte. Eines war stärker und besser gewesen als das andere, aber erst das siebte, das er aus der Kraft einer entarteten Sonne schuf, indem er einen Stern vom Himmel holte , war Merlin endlich zufrieden gewesen.
Über den Verbleib der anderen Amulette wußten Zamorra und Nicole nicht völlig Bescheid. Sid Amos besaß wohl zwei, eines hatte Magnus Friedensreich Eysenbeiß, und eines befand sich eben im Besitz von l'ombre . Dabei wollte Yves Cascal nichts mit der Zauberei zu tun haben; er wollte sein Leben in Ruhe führen und nicht in die Angelegenheiten und Ungelegenheiten hineingezogen werden, mit denen es Zamorra und seine kleine Crew ständig zu tun hatten. Doch so oft er auch versucht hatte, sich des Amuletts zu entledigen, so oft war es auf unerfindlichen Wegen immer wieder zu ihm zurückgekehrt.
Es war sein Schicksal, mit dem er sich nicht abfinden wollte. Kein Wunder, daß er »unleidlich« wurde, wenn sich die Silberscheibe jetzt auf irgendeine Weise bemerkbar machte. Er fühlte sich davon hochgradig gestört.
»Er sagt, es würde irgendwie an ihm ziehen. Weißt du, so, als wolle es ihn zu einem bestimmten Ziel locken. Er hat scheinbar Mühe, dagegen anzukommen. Es war schon einmal so, da ist er nach Florida gereist, zu eurem Freund Tendyke. Es hing wohl mit Julian zusammen. Ich glaube, Julian war damals noch nicht geboren, aber aus den Andeutungen glaube ich entnommen zu haben, daß die Schwangerschaft
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