054 - Das Geheimnis der Mumie
kohlrabenschwarz und blickten so freundlich wie Kieselsteine drein. An den dicken Fingern funkelte ein Dutzend protziger Ringe.
Jussuf stand auf.
»Abd-el-Baran«, sagte er, »ich …«
Abd-el-Baran winkte ungeduldig ab. »Wer ist die Frau?«
»Coco Zamis«, sagte Jussuf.
»Ich bin Reporterin«, erklärte Coco auf englisch.
»Reporterin?« Auf Abd-el-Barans Stirn erschien eine steile Falte. »Was führt Sie zu mir?«
»Das können Sie sich doch denken«, sagte Coco lächelnd.
»Ich kann mir gar nichts denken«, brummte Abd-el-Baran und setzte sich Coco gegenüber.
»Ich habe keine Lust, lange herumzureden«, sagte Coco. »Dazu habe ich keine Zeit. Sie sind das Oberhaupt einer Grabräuberbande, die …«
»Das ist ja unerhört!«, zischte Abd-el-Baran. »Ich bin ein ehrlicher Kaufmann. Ein …«
»Ihnen – oder einem Ihrer Männer gelang es, Nefer-Amuns Grab zu finden«, unterbrach ihn Coco. »Ich will, dass Sie mich zu Nefer-Amuns Grab bringen.«
Abd-el-Baran glotzte Coco an, als hätte er eine Verrückte vor sich.
»Sie wissen nicht, was sie sagen«, flüsterte er. »Das ist eine ungeheuerliche Unterstellung, die …«
Coco hob beide Hände, und ihre Augen wurden starr. Sie blickte Abd-el-Baran einige Sekunden lang an, und sein Blick wurde ausdruckslos.
»Sie werden mir jetzt die Wahrheit sagen, Abd-el-Baran«, sagte Coco. »Die volle Wahrheit!«
»Ich werde die Wahrheit sagen«, flüsterte Abd-el-Baran.
»Erzählen Sie mir, wie Sie Nefer-Amuns Grab fanden!«
»Vor mehr als drei Monaten, genauer gesagt am 20. September, entdeckte einer meiner Männer in einem der kleinen Seitentäler von Deir-el-Bahari einen Tunnel. Er kroch hinein, geriet in ein verwirrendes Höhlenlabyrinth und fand einige Kammern, die leer waren. Dann entdeckte er eine, die voll mit kostbaren Schätzen war. Er nahm einige Gegenstände an sich und kam zu mir.«
»Erzählen Sie weiter!«, forderte Coco.
Abd-el-Baran gehorchte. »Ich sandte sofort Männer hin, doch der Eingang zum Höhlensystem war nicht zu finden. Ich schickte sie jede Nacht in das schmale Seitental. Sie untersuchten alle Wände, fanden aber keinen Eingang. Aber ich ließ nicht locker. Mir war bewusst, dass es sich um Nefer-Amuns Grab handeln musste. Und nach vier Wochen hatten wir plötzlich Erfolg. Der Tunnel wurde gefunden. Wir drangen in die Grabkammern ein. Eine der Vorkammern räumten wir völlig aus.
Doch dann kam es zu einem Zwischenfall. Nefer-Amun-Anhänger stürzten sich auf uns. Es kam zu einem erbitterten Kampf, und wir mussten uns zurückziehen. Am nächsten Tag war der Tunnel wieder verschwunden. Jede Nacht suchten meine Männer, und vor ein paar Tagen hatten sie wieder Erfolg. Doch auch diesmal wurden sie von Nefer-Amun-Priestern vertrieben. Sie konnten nur wenige Grabbeigaben erbeuten. Seither weigern sich meine Männer, das Tal zu betreten. Sie haben vor den Priestern Angst. Ein halbes Dutzend meiner Leute wurde verwundet oder getötet.«
»Haben Sie noch einige der Grabbeigaben?«, fragte Coco.
»Nein, ich verkaufte alle. Ich hatte nur fünf unbedeutende Stücke in meinem Haus, und diese Nacht wurde bei mir eingebrochen, und die fünf Grabbeigaben wurden gestohlen.«
»An wen verkauften Sie die Gegenstände?«
»Teilweise an Touristen, doch den Großteil an einen Händler in Kairo. Ein paar verkaufte ich Jean Cardin und der Familie Fonad.«
»Sie verkauften eine seltsame Statuette an Achmed Fonad. Weshalb?«
»Meinen Sie die Toth-Anubis-Statue?«
»Genau die.«
»Diese Statue war mir unheimlich«, sagte Abd-el-Baran. »Als ich sie berührte, spürte ich seltsame Gedanken, die auf mich überströmten. Ich hatte Angst. Ich wollte sie aus dem Haus haben und verkaufte sie weit unter dem Preis an Achmed.«
»Sie werden mich heute noch in das Seitental führen, in dem sich der Zugang zu Nefer-Amuns Grab befindet«, sagte Coco.
»Ich führe Sie hin«, sagte Abd-el-Baran, »aber ich kann Ihnen nicht garantieren, dass ich den Tunnel finde. Manchmal ist er da, dann ist er wieder verschwunden.«
»Was wissen Sie vom Nefer-Amun-Kult?«
»Er besteht seit vielen tausend Jahren. Seine Anhänger leben abgeschieden. Man sieht sie kaum jemals in der Öffentlichkeit. Sie leben unter der Erde und sind mächtig. Jeder hat Angst vor ihnen. Sie rauben junge Frauen, die sie ihrem Gott opfern, und verfügen über ungewöhnliche magische Kräfte, mit denen sie das Grab Nefer-Amuns schützen.«
Coco überlegte. Jahrtausendelang war Nefer-Amuns Grab nicht
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