054 - Gucumatz der Allmächtige
er jeden Moment in ein Wespennest stechen, und das mochte für ihn selbst höchst unangenehme Folgen haben.
Am Morgen, als er mit Daphne zu Gregory Beale gefahren war, hatte er in einem Moment des Leichtsinns ein gemeinsames Abendessen in einem bekannten Restaurant in Soho vorgeschlagen; leichtsinnig war das deshalb gewesen, weil beinahe sicher schien, daß der Abend nicht zu seiner freien Verfügung sein würde.
Er befand sich in seinem Verhältnis zu Daphne in einem Zwiespalt. Sie kannte Crewe, und sie kannte Farmer und konnte ihm zweifellos eine Menge Informationen liefern; doch er konnte unmöglich ihre Freundschaft für seine Zwecke ausbeuten. Der Gedanke irritierte ihn ein wenig, bis schließlich sein Humor die Oberhand gewann.
Als er sich am Abend mit ihr traf, löste er sein Problem durch eine freimütige Schilderung seines Dilemmas.
»Eigentlich sollte ich dieses Abendessen dazu ausnutzen, Ihnen sämtliche Informationen zu entlocken, die Sie besitzen«, sagte er halb lachend, halb bekümmert. »Es ist schrecklich, jemanden zu mögen, wenn man gerade an einer aufregenden Story arbeitet.«
Sie lachte. »Ich dachte, ich hätte Ihnen schon alles gesagt, was ich weiß.«
Was Crewe anging, so hätte Peter ein Meister des Kreuzverhörs sein können und doch nicht viel mehr über den Mann erfahren, als er bereits wußte. Crewe spekulierte an der Börse, und das mit recht gutem Erfolg. Daphne hatte persönlich nichts gegen ihn, nur seine Einstellung zu Frauen gefiel ihr nicht. Sie war seit dem Tag bei Crewe gewesen, als er in das Haus am Grosvenor Square gezogen war. Joe Farmer kannte sie; er war ein häufiger und sehr oft unangenehmer Gast im Haus gewesen. Er hatte einen Ruf als Casanova zu verteidigen gehabt und gleich beim erstenmal, als er ihr begegnete, versucht, zudringlich zu werden.
»Wer ist Mrs. Staines?« fragte Peter. »Ich möchte mir gern von der ganzen Truppe ein Bild machen.«
Daphne schüttelte den Kopf. »Ich weiß nicht. Sie ist mit Mr. Crewe und Ella Creed befreundet. «
»Lauter reiche Leute«, meinte Peter nachdenklich. »Oder, wenn nicht reich, so doch gut betucht. Was arbeitet Mrs. Staines?«
»Sie ist eine Dame«, antwortete Daphne leicht ironisch, »und Damen arbeiten nicht. Nein, sie ist nett, ich mag sie«, fügte sie hinzu. »Mr. Crewe hat mir oft erzählt, wie begabt sie ist. Als ich ihr einmal etwas in ihre Wohnung am Buckingham Gate bringen mußte, habe ich Zeichnungen von ihr gesehen. Ich muß sagen, ich war beeindruckt.«
»Sie ist Künstlerin?« fragte Peter. »Malt sie?« Daphne überlegte. »Nein, Gemälde habe ich keine gesehen. Nur Zeichnungen. Sie hat früher anscheinend heraldische Zeichnungen gemacht - diese verschnörkelten Dinger, wissen Sie, mit denen man in der Schule nie zurechtkommt. Einige hängen in ihrem Salon - sie ist stolz darauf. Eine Zeichnung ist darunter, ungefähr halb so groß wie der Tisch hier, die finde ich ganz hervorragend. Ich versteh ein bißchen was davon, weil ich früher auch mal vorhatte zu malen. Miss Creed kenne ich nicht sehr gut; die paar Male, die ich ihr begegnet bin, war sie immer ziemlich unhöflich. Ist sie eine gute Schauspielerin?«
»Sie hat Erfolg«, antwortete Peter mit Bedacht. »Aber das ist vielleicht nicht fair. Sie tritt zur Zeit in einem Musical auf, da hat sie nicht viel Gelegenheit, ihr schauspielerisches Können zu zeigen.« Er überlegte einen Moment. »Ja, ich würde sagen, sie ist eine gute Schauspielerin. Ich habe sie vor ungefähr vier Jahren in einem Stück gesehen, da war sie sehr gut in einer tragischen Rolle - so richtig bedauernswert und ergreifend. Man hätte sich nicht träumen lassen, daß sie fähig ist, ihre Garderobiere und den Spielleiter total zur Schnecke zu machen. - So«, sagte er zum Schluß, »und jetzt erzählen Sie mir, wie Ihr erster Tag beim neuen Tyrannen war. «
Sie war begeistert. »Ich habe den ganzen Tag die interessantesten Dinge katalogisiert - Speerspitzen, kleine Figuren, Keramik und alte Waffen, die Mr. Beale in den Ruinenstädten Mittelamerikas gefunden hat. Und vier gefiederte Schlangen«, fügte sie triumphierend hinzu.
Peter lachte. »Da werden Sie ja bald eine Kapazität auf dem Gebiet sein. Aber wie können Sie das alles katalogisieren? Sie sind doch keine Expertin.«
Sie berichtete, daß sie ständig unter Beales Aufsicht gearbeitet hatte und daß ihre Aufgabe vor allem darin bestanden hatte, kleine Etiketten zu schreiben und an den Gegenständen zu
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