054 - Gucumatz der Allmächtige
sich ein Blatt Zeichenpapier, das sie zudeckte, als er eintrat. Eine ungemein attraktive Frau, fand er; auf eine herbe Art schön. Sie hätte eine grande dame oder eine große Kurtisane sein können.
In ihren Sessel gelehnt, begrüßte sie ihn mit einem fragenden Lächeln. »Es ist mir ein Vergnügen, Mr. Dewin. Möchten Sie ein Interview?« Der Anflug von Ironie paßte genau zu dem Charakter, den er sich vorgestellt hatte. Ehe er etwas erwidern konnte, hatte sie das verdeckende Papier von ihrer Zeichnung genommen und reichte ihm das Blatt über den Tisch. »Ich zeichne gerade gefiederte Schlangen. Das ist ganz amüsant, auch wenn sie nicht sehr hübsch aussehen. «
Auf dem Blatt waren mehrere Skizzen zusammengerollter gefiederter Schlangen mit angriffslustig erhobenen Köpfen, eine ganze, dicht zusammengedrängte Brut, Kopfstudien, Skizzen der Befiederung.
»Wie gut, daß Sie es mir so leicht machen«, sagte Peter dankbar. »Genau deswegen bin ich nämlich hier.«
Sie lächelte ein wenig frostig. »Das dachte ich mir schon, als ich Ihre Karte sah. Aber glauben Sie mir, Mr. Dewin, Sie haben sich die falsche Person ausgesucht - ich hatte bis zu diesem schrecklichen Mord nie von gefiederten Schlangen gehört. «
Sie sah ihm direkt ins Gesicht. Er hatte nicht den Eindruck, daß sie log.
»Sie sind doch wegen des Mordes hier?« Sie legte das Blatt mit den Zeichnungen auf den Tisch. »Eine schreckliche Geschichte.«
Er wußte genau, warum sie es so schrecklich fand. Wäre er brutal gewesen, so hätte er es ihr auf den Kopf zugesagt. Statt dessen fragte er nach Farmer. Sie hatte ihn offenbar gut genug gekannt, um mit seinen zahllosen Fehlern vertraut zu sein. Von guten Eigenschaften sagte sie nichts, also hatte er wahrscheinlich keine gehabt, dachte Peter.
»Und nun, Mr. Dewin« - sie legte die wohlgeformten Hände auf den Tisch und kniff ein wenig die Augen zusammen -, »was ist der wahre Grund dieses Besuchs?«
Auf diese direkte Herausforderung gab es nur die direkte Antwort. »Ich will ganz offen sein«, sagte Peter. »Ich suche nach einer neuen Spur zur gefiederten Schlange. Sie glauben vielleicht, nichts darüber zu wissen, aber ich denke, Sie wissen doch etwas. Vor langer Zeit gab es einmal einen großen Schwindel -«
»Daran war ich nicht beteiligt«, sagte sie ruhig. »Ich erwarte nicht, daß Sie mir das glauben, aber es ist wahr. Ich will nicht sagen, daß ich nicht davon profitiert habe, aber bis zur letzten Minute, als sie feststellten, daß ich eingeweiht werden mußte, wußte ich nichts. Mehr sage ich dazu nicht.«
»Und warum sagen Sie überhaupt etwas?«
Sie überlegte kurz, ehe sie antwortete: »Weil ich den Eindruck habe, daß Sie etwas über mich entdeckt haben. Ich sah es, als Sie ins Zimmer kamen. Sie hatten so einen Ausdruck im Gesicht.«
Er nickte. » Ja. Sie sind Paula Ricks.«
Als sie nichts sagte, wiederholte er die Worte. Wieder sah er ihr flüchtiges, leicht spöttisches Lächeln.
»Ich bin Paula Ricks. Aber ist Ihnen das eine Hilfe?«
»Sie kannten William Lane«, erwiderte er ruhig, doch zu seiner Überraschung schüttelte sie den Kopf.
»Ich habe ihn nie gesehen. Erst als er verhaftet wurde, erfuhr ich von seiner Existenz. Danach hörte ich natürlich alles, was es über ihn zu wissen gab. « Sie beugte sich ein wenig vor. »Ist es ein Verbrechen, Paula Ricks zu sein? Man kann mich nicht des Landes verweisen. Ich bin Britin. Die Polizei kann mir nichts anhaben.« In ihren Augen war ein Ausdruck der Frage, als sie hinzufügte: »Ich will Ihnen etwas sagen, was die Polizei argwöhnt, aber niemand mit Sicherheit weiß. Ich kann offen sein, weil wir allein sind. Ich habe alle Platten gemacht, die mein Vater zum Druck der französischen Fälschungen verwendet hat. Ich fand es unheimlich spannend ja, mir war klar, was für eine ernste Sache das war, trotzdem fand ich es spannend und toll. Aber seither habe ich keine einzige Platte mehr graviert. «
Er sah sich demonstrativ in dem luxuriös eingerichteten Raum um. »Das alles hier haben Sie doch nicht umsonst bekommen, Miss Ricks. Ich nehme an, Sie sind nicht verheiratet?« Sie schüttelte den Kopf. »Diesen Luxus können Sie sich doch wohl kaum von Ihrem Einkommen als Zeichnerin leisten.«
»Mein Geld, die Wohnung, alles, was ich habe, habe ich weil ich ehrlich war«, erklärte sie. »Ich hätte genau das gleiche bekommen, wenn ich unehrlich gewesen wäre. Aber mein Besitz ist der Preis für meine Ehrlichkeit und meine Weigerung,
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