054 - Gucumatz der Allmächtige
zu dem alten Leben zurückzukehren.«
Er war sicher, daß sie die Wahrheit sagte.
Mit einem kleinen Lachen fügte sie hinzu: »Ich habe gehört, dass Sie eine Vorliebe für Rätsel haben, Mr. Dewin - lösen Sie dieses also!« Damit stand sie auf und läutete. »Sie können eine Tasse Tee mit mir trinken, wenn Sie möchten. Es war wirklich albern von mir, aber ich hatte richtig Angst vor Ihnen.«
Sie hielt inne, als das Mädchen hereinkam und ihren Auftrag entgegennahm.
»Sie hatten Angst vor mir? Inwiefern denn?«
»Ich weiß auch nicht. Ich hatte Angst, Sie würden herausfinden, wer ich bin. Das haben Sie ja nun geschafft, und so schrecklich war es gar nicht. Wenn ich es mir richtig überlegt hätte, hätte ich sicher überhaupt keine Angst gehabt. Sie waren heute morgen bei Scotland Yard. Haben Sie es den Leuten dort gesagt?«
Er war verblüfft. »Woher wissen Sie das?«
»Ganz einfach. Ich habe Sie überwachen lassen. Miss Olroyd ist ein nettes Mädchen, nicht, Mr. Dewin?«
Er sah das Gelächter in ihren Augen und merkte, daß er rot wurde.
»Doch nicht Stebbings?« sagte er.
»Stebbings höchstpersönlich«, erwiderte sie ganz gelassen. »Sie haben ihn natürlich bemerkt - absurd für einen Privatdetektiv, einen Bart zu tragen. Das ist so auffallend. Ich hab's ihm oft genug gesagt.«
Das Mädchen kam mit dem Teewagen herein.
»Die Sache mit Farmer ist schlimm«, sagte Paula Ricks, als das Mädchen wieder gegangen war und sie ihrem Gast eingeschenkt hatte. »Ich mochte ihn nicht sehr, und ich könnte Ihnen eine Menge über ihn erzählen, aber das werde ich nicht tun. Sie sind ein so kluger Kopf, daß Sie das alles selbst herausfinden werden. «
»Wollen Sie mich ärgern, oder soll das ein Kompliment sein?« »Ich weiß nicht - ich denke, ein plumpes Kompliment wäre so kränkend, wie der bewußte Versuch zu verärgern.«
Er hob die Teetasse und sah ihr direkt in die Augen. »Ich möchte einen Toast ausbringen«, sagte er. »Auf den guten alten Gucumatz. «
Die Tasse fiel ihr aus der Hand, und ihr Gesicht verlor alle Farbe. »Gucumatz!« flüsterte sie und starrte ihn aus weit offenen Augen an. »Gucumatz... «
Sie atmete keuchend. Er hatte mitten ins Schwarze getroffen. Hätte er nur noch eine Sekunde Zeit gehabt, er hätte ihr das Geheimnis abgewonnen. Aber da öffnete sich plötzlich die Tür, und das Mädchen kam herein. Ein Anruf, meldete sie. Das war die Frist, die Paula Staines brauchte. Rasch ging sie hinaus.
Als sie fünf Minuten später zurückkam, war sie gelassen und heiter wie zuvor. Verändert war nur ihre Kleidung; sie hatte das vom Tee durchnäßte Kleid gegen ein anderes ausgetauscht.
»Wir wollen doch vernünftig sein«, sagte sie in beinahe fröhlichem Ton.
»Und aufrichtig«, fügte Peter hinzu.
»Und aufrichtig«, wiederholte sie. »Auf beiden Seiten. Ich gestehe, Sie haben mich erschreckt. Bis mir klar wurde, daß Sie das dumme Wort entdeckt haben, daß Farmer mit sich herumzutragen pflegte. Aber Sie haben mich wirklich erschreckt - Sie haben wohl ein Faible für sensationelle Überraschungen?«
»Das kann man sagen«, bestätigte Peter. »Und um noch einmal auf Gucumatz zu kommen -«
»Das ist nur ein dummes Wort«, unterbrach sie. »Ich hörte es das erstemal in meinem Leben ein Jahr nach... « Sie zögerte. »Nach was?« fragte Peter.
»Nach einem bestimmten Ereignis«, antwortete sie. »Was bedeutet es überhaupt?«
Wußte sie es wirklich nicht, oder bluffte sie? Er hatte den Eindruck, daß sie die Bedeutung tatsächlich nicht kannte, und fand diesen bestätigt, als er es ihr sagte.
»Es bedeutet gefiederte Schlange.«
Lange sah sie ihn stumm an, dann bedeckte sie ihr Gesicht mit beiden Händen. Als sie wieder aufsah, waren ihre Züge grau und eingefallen. »Würden Sie mich morgen wieder besuchen?« fragte sie und bot ihm müde die Hand. »Nein, nein, ich möchte jetzt nicht mehr sprechen -morgen.«
Sie brachte ihn hinaus, und als er weg war, rief sie das Mädchen zu sich. »Gehen Sie zu Cook, und reservieren Sie zwei Schlafwagenplätze im Orientexpreß«, befahl sie.
Das Mädchen war diese plötzlichen Entschlüsse offenbar gewöhnt, denn sie reagierte mit einem erfreuten Lächeln.
»Und niemand darf wissen, daß wir morgen abreisen, Nita. Am besten lassen Sie meine Koffer spätabends zum Bahnhof bringen. Dem Portier unten sagen Sie, daß ich mindestens für ein Jahr verreisen werde. Aber sagen Sie es ihm erst unmittelbar vor unserer Abreise. «
Paula setzte
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