054 - Gucumatz der Allmächtige
um hinauszugehen und ihn zu empfangen, da hörte sie Beales raschen Schritt im Vorsaal.
»Das ist also eine gefiederte Schlange?« sagte Ella nachdenklich, während sie den Gegenstand in den Händen drehte. »Sehr schreckenerregend sieht sie nicht aus, nicht wahr?« Beale sprach mit jemandem, und sein Ton war ungewöhnlich scharf.
»Gefiederte -«, begann Ella wieder, dann hörte Daphne einen erstickten Laut und drehte sich um. Verblüfft sah sie, daß Ella mit weitaufgerissenen Augen die Tonfigur in ihrer Hand anstarrte. Das Gesicht unter der Schminke war wächsern und alt. Daphne kam gerade noch rechtzeitig, um sie aufzufangen, als sie zusammenbrach. Sie hörte das Zuschlagen der Haustür, ließ Ella zu Boden gleiten und lief hinaus.
»Miss Creed - sie ist ohnmächtig geworden«, rief sie.
»Miss Creed?« Über seine Brillengläser hinweg sah Beale sie an. »Die Schauspielerin -«
»Würden Sie mir bitte helfen?« sagte Daphne drängend.
Er eilte an ihr vorbei ins Zimmer, warf nur einen Blick auf die Daliegende, bückte sich und hob sie ohne Anstrengung hoch.
»Ich bringe sie in mein Zimmer«, sagte er. »Holen Sie ein Glas Wasser. Und gehen Sie hinauf in mein Schlafzimmer - im Bad nebenan ist das Apothekerschränkchen. Da habe ich ein Fläschchen Riechsalz. Bringen Sie es herunter. «
Als sie ein paar Minuten später zurückkam, war er dabei, Ella vorsichtig etwas Wasser einzuflößen.
»Das Apothekerschränkchen -«, begann sie.
»Ich weiß, ich weiß. « Er war beinahe ungeduldig. »Es war die ganze Zeit hier unten. Ich hatte vergessen, daß ich es heruntergeholt hatte. Ich glaube, sie wird bald zu sich kommen. Das geht in solchen Fällen meistens schnell. Was ist eigentlich passiert?«
Daphne berichtete ihm von der gefiederten Schlange und sah, daß er die Figur auf den Tisch gelegt hatte.
»Sie hielt sie fest umklammert, als ich sie hier hereintrug«, sagte er. »Seltsamer Zufall!«
Daphne beobachtete Ella besorgt. Sie atmete regelmäßig, war aber immer noch bewußtlos.
» Es ist wahrscheinlich ein Herzanfall«, meinte Beale und rieb sich gedankenvoll das Kinn.
»Sollten wir nicht einen Arzt holen?« fragte Daphne.
Er schüttelte den Kopf. »Es ist nicht schlimm. Sie schläft jetzt - auf solche Anfälle folgt häufig völlige Erschöpfung. Wer ist sie, sagten Sie? Ella Creed - der Name kommt mir bekannt vor. Ich hab ihn wahrscheinlich auf den Plakaten gesehen.«
Kopfschüttelnd sah er auf die schlafende Ella hinunter. »Sie muß einmal sehr attraktiv gewesen sein«, meinte er. » Ja, das muß sie gewesen sein. «
»Ich finde sie auch jetzt noch hübsch«, sagte Daphne.
Der Schatten eines Lächelns flog über sein Gesicht. »Ich bin da leider kein Experte.«
In diesem Moment öffnete Ella die Augen. Benommen sah sie von einem zum anderen, und als sie sprach, klang es schwerfällig. »Was ist passiert?« Mit einer Anstrengung setzte sie sich auf.
»Sie sind ohnmächtig geworden. Soll ich Sie nach Hause bringen?« fragte Daphne.
Ella schüttelte den Kopf. »Nein. Es geht schon. Würden Sie meinen Wagen kommen lassen?« Unsicher von Daphne gestützt, stand sie auf.
»Sie haben den Wagen weggeschickt. Möchten Sie ein Taxi?« fragte Daphne.
»Nein. Ich möchte - ich möchte... « Ellas Stimme sank von lautstarkem Protest zu einem matten Flüstern herab, und sie ließ sich schwer auf das Sofa fallen.
»Holen Sie ein Taxi«, sagte Beale, und Daphne lief auf die Straße hinaus. Erst sah sie kein Taxi, dann aber entdeckte sie eines auf der anderen Straßenseite und rannte hinüber. Als sie mit dem Wagen zurückkam, erwartete Beale sie auf der Treppe.
»Ich glaube, sie sollte sich besser hier noch eine Weile erholen. Ich habe nach einem Arzt telefoniert, obwohl ich eigentlich sicher bin, daß es nichts Ernstes ist«, erklärte er. Nachdem Daphne den Taxifahrer bezahlt hatte, folgte ihr Beale in den Salon. »Erzählen Sie mir kurz, was geschah und warum sie herkam.«
Um die Frage beantworten zu können, mußte Daphne ihre Erfindungsgabe einsetzen, und sie haßte sich dafür, daß sie ihn belog.
»Ich wollte neulich abend mit ihr essen gehen und verließ etwas früher das Theater und... bin dann gar nicht zum Essen gegangen.«
»Und sie kam her, um den Grund zu erfahren?« meinte Beale. »Eine Schauspielerin - hm.« Die Hände auf dem Rücken, ging er im Zimmer hin und her. »Seltsam, daß sie gerade die gefiederte Schlange in der Hand hielt, als sie zusammenbrach.«
Das hatte er, wie Daphne
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