Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
0540 - Der Fluch der Zigeunerin

0540 - Der Fluch der Zigeunerin

Titel: 0540 - Der Fluch der Zigeunerin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Werner Kurt Giesa
Vom Netzwerk:
reichte es oft auch dafür nicht.
    Elena folgte dem Mann so lautlos wie möglich. Er bemerkte sie nicht. Auch sonst war niemand auf der Straße, und die Fenster der Häuser waren dunkel. Wer seinen Lohn mit ehrlicher Arbeit verdiente, schlief schon längst, um bei Tagesanbruch wieder auf den Beinen zu sein.
    Sie brauchte nur die Hände auszustrecken, um die Kordel zu lösen, mit der der Edelmann die Geldkatze an seinem Gürtel befestigt hatte. Sie schaffte es sogar, während sie schräg hinter ihm her schlich…
    Aber dann entglitt ihr die Börse, fiel zu Boden. Und weil sie nicht richtig verschnürt war, klirrten ein paar Münzen heraus.
    Im gleichen Moment wirbelte der Edelmann herum. Er packte mit beiden Händen zu.
    ***
    Der Mann, der sich Don D’Assimo nennen ließ, hatte ein wenig des angeblich italienischen Weines auf der Tischplatte verschüttet. Niemand störte sich daran; so etwas kam schon einmal vor.
    Ein scharfer Fingernagel zog langsam winzige Kratzer in das Holz; eigenartige, kaum sichtbare Zeichen entstanden…
    Die Lippen des hochgewachsenen Edelmannes bewegten sich. Es schien, als führe er ein lautloses Selbstgespräch.
    Sein Kopf war gesenkt; niemand bemerkte das rötliche Leuchten, das in seinen Augen glomm, während er die kleine Weinpfütze mit der Konzentration eines Trunkenen anstarrte, der über den Sinn des Lebens grübelt.
    Ein Bild zeigte sich in der blutroten Flüssigkeit. Verschwommen nur, weil zu viel Wein im Wasser war. Der Spiegel des Vassago funktionierte dennoch. Er zeigte dem Fürsten der Finsternis an, was sich nur ein paar Straßen weiter tat.
    Und wiederum geschah alles so, wie es bestimmt war.
    Später zerkratzte D’Assimo die Zeichen wieder, zahlte seine Zeche, grinste den Wirt an und formulierte mit schwerer Zunge italienische Dankesworte. Dann torkelte er hinaus, rempelte dabei ein paar andere Zecher an und stieß schließlich gegen den Türbalken.
    Kaum war er draußen, wurde sein Schritt bemerkenswert sicher. Er strebte der Straßenecke entgegen, bog um die Hauskante und verflüchtigte sich.
    In dieser Nacht war seine Präsenz unter den Menschen nicht mehr vonnöten…
    ***
    »Ah, kleine Ratte!« fauchte Gotthilf von Hirschberg. »Wolltest mich bestehlen, wie? Aber da mußt du schon ausgeschlafener sein!« Er hielt die kleine, magere Gestalt fest, schüttelte sie durch und entdeckte plötzlich, daß sie…
    »Ein Weib! Bei Gott, das ist ja ein Weib! Ah, kleine Diebin, dich schenkt mir der Himmel!«
    Er zog ihr die Kapuze vom Kopf und starrte ihr ins Gesicht. Gerade riß die Wolkendecke an einer Stelle auf. Mondlicht fiel auf die beiden.
    Elena wagte nicht zu schreien. Eben hatte sie noch geglaubt, ihr Ziel erreicht zu haben, und dann der dumme Fehler, die Münzen auf dem Pflasterstein… und nun stand der große Edelmann vor ihr, nach Bier stinkend und mit wilden Augen wie ein hungriges Tier.
    Nein, sie durfte nicht schreien. Sie war eine Diebin. Und er hatte sie ertappt. Es würde niemanden interessieren, daß sie nur aus Not stahl, nicht aus bösem Willen oder Arbeitsscheu. Er brauchte nur mit den Fingern zu schnipsen, und sie verschwand für den Rest ihres Lebens im Kerker. Vielleicht hackte man ihr auch nur die rechte Hand ab…
    Panische Angst lähmte sie. Sie steckte in einer tödlichen Falle. So etwas war ihr noch nie passiert. Sie war immer geschickt genug gewesen, wenn sie hatte stehlen müssen. Doch jetzt… vielleicht waren ihre Finger in der Kälte zu klamm geworden, dafür aber Hoffnung und Ungeduld zu groß. So war es passiert. Und jetzt… jetzt war sie verloren…
    Der Hirschberger dachte an die Schankmagd, die er nicht hatte bekommen können, weil der Wirt etwas gegen Sklavenhandel hatte. Das ist eines guten Christenmenschen nicht würdig, hatte er gesagt.
    Christenmenschen?
    Die Mohren waren keine Christenmenschen, sie waren nackte Heiden und faule Taugenichtse, die es gerade mal zu ärmlichen Strohhütten als Wohnstatt und schmutzigen Lendenschurzen als einzige Kleidung brachten. Sie konnten froh sein, wenn sie in gute Hände kamen und lernten, richtig zu arbeiten und den Wohlstand ihrer Herren zu mehren, weil’s ihnen dann selbst auch besser ging.
    Das naßkalte Wetter des Nordens leid, sehnte sich der Hirschberger zurück an die warmen Küsten des mediterranen Meeres, wo er ein paar Jahre in Saus und Braus hatte leben können. Denn dort war er Freund eines maurischen Fürsten geworden.
    Doch selbst darüber durfte man hier im Reich nicht laut

Weitere Kostenlose Bücher