0543 - Wen die Satans-Spinne holt
will Sie sprechen!«
Der Beamte stieß den Zeigefinger gegen Zamorras Brust.
»Sie bleiben hier und wagen es nicht, sich vom Fleck zu rühren, bis ich mit Ihnen fertig bin.«
Dann stapfte er in Richtung Rolls-Royce.
»Was ist denn mit dem los?« fragte Zamorra kopfschüttelnd. »Und mit euch allen? Seid ihr übergeschnappt? Man legt sich nicht einfach mit der Polizei an!«
»Den Knaben hat jemand irrtümlich aus dem Zoo entlassen«, fuhr Nicole auf.
»Mal langsam«, warnte Zamorra. »Immerhin ist er Polizeibeamter. Und für die Worte, die hier gefallen sind, kann er dir ein Verfahren anhängen, das sich gewaschen hat.«
»Ted hat Capitano Re angerufen«, sagte Nicole.
»Hoffentlich bringt das was«, überlegte Zamorra. »Re gehört zu einer anderen Polizeieinheit. Er ist kein direkter Vorgesetzter dieses vigilo. Zwischen den einzelnen Gruppierungen gibt es erhebliche Rivalitäten. Wie bei uns, wenn Polizeidienst und sûreté in Kompetenzstreitigkeiten geraten.«
»Warten wir’s ab. Was hast du überhaupt herausgefunden?«
»Lies es«, bat Zamorra. »Das geht schneller.«
Er öffnete die mentale Sperre, die ihn davor schützte, daß andere seine Gedanken lesen konnten. Auf die gleiche Weise, wie er sich in den Halbtrance-Zustand versetzt hatte, konnte er auch die mentale Sperre öffnen oder schließen. Fast jeder aus der Zamorra-Crew besaß diese Möglichkeit.
Nicole war Telepathin. Jetzt, da Zamorra seine Barriere gesenkt hatte, konnte sie in seinen Gedanken, in seiner Erinnerung, lesen, was er durch das Amulett herausgefunden hatte. Sie nahm die Eindrücke und Informationen bildhaft und als Gesamtkomplex auf. Das war wesentlich einfacher und ging schneller, als wenn Zamorra versucht hätte, all das in Worte zu kleiden.
»So ist das also«, sagte Nicole schließlich. »Und wenn dieser Salzknabe dich nicht so angerempelt hätte, hättest du zumindest noch das letzte Bild und den Zeitpunkt fixieren können. Jetzt darfst du dich wieder umständlich von der Gegenwart an die Vergangenheit herantasten, wie? Ich könnte diesem Vogel den Hals umdrehen.«
»Er tut nur, was er für seine Pflicht hält«, wandte Zamorra ein.
Natürlich zürnte er dem Beamten ebenfalls. Das Amulett besaß die Möglichkeit, das jeweils letzte Vergangenheitsbild der Zeitschau zu »speichern«. So war es möglich, direkt wieder dort »einzusteigen«, wo während der Zeitschau eine Unterbrechung stattgefunden hatte. Voraussetzung natürlich war, daß diese »Speicherung« überhaupt erfolgt war. Und eben daran war Zamorra gehindert worden.
Er sah zum Rolls-Royce hinüber. Dort warf Ted den Telefonhörer gerade einfach ins Fahrzeuginnere und stapfte mit grimmigem Gesicht heran. Der Uniformierte strebte wortlos in die andere Richtung davon und stieg in seinen Dienstwagen, um mit aufheulendem Motor und durchdrehenden Antriebsrädern zu starten und zu verschwinden.
»Wir haben uns ein paar Feinde geschaffen«, sagte der Reporter. »Ich habe den Capitano angerufen. Der konnte selbst natürlich wenig machen und hat die nächsthöhere Stelle eingeschaltet. Re allerdings ist jetzt sauer, weil wir uns nicht erst bei ihm vorstellig gemacht haben.«
»Ich denke, du hast ihn noch von der Villa aus angerufen.«
»Sicher. Da war er auch noch einverstanden. Aber jetzt hält er’s wie der selige Altbundeskanzler Adenauer: Was schert mich mein Geschwätz von gestern? Wir sollen also schleunigst bei ihm vorsprechen und alle weiteren Aktionen mit ihm abstimmen. Weißt du, durch den Anruf eines Anwohners ist nicht nur unser starrköpfiger Freund herbeordert worden, sondern es wurde auch eine Aktennotiz angelegt. Die muß bearbeitet werden. Und vermutlich wird sich in zwei Jahren noch jemand damit herumplagen, diese Aktennotiz zur Weiterbearbeitung von einem Büro ins andere zu tragen, hin und her. Das hätte man lieber im Vorfeld vermieden. Früher hätte man die Notiz einfach verschwinden lassen, aber jetzt traut sich das keiner mehr. Wegen der Mafia- und Korruptionsermittlungen. Nun ist natürlich auch Re stinkwütend.«
»Liebliches Italien«, seufzte Zamorra. »Es lebe die Bürokratie.«
»Das ist stellenweise schon Bürokratismus«, seufzte Ted. »Beantrage heute einen Telefonanschluß, und in vier oder fünf Jahren bekommst du ihn vielleicht, obgleich genug Kapazitäten frei sind. Was glaubst du, warum mein Anschluß immer noch unter dem Namen des Villa-Vorbesitzers im Telefonbuch steht? Es gibt eine Faustregel. Wenn du in diesem Land etwas
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