0544 - Der Bleiche
durch die Lücke. Ein Splitter stieß dabei in ihren linken Oberschenkel, was sie nicht kümmerte. Als sie es geschafft hatte, rann aus der Wunde Blut.
Dann standen sie im Flur, gingen aber nicht weiter, denn sie schauten in das dunkle Loch der Beretta-Mündung. Suko hielt die Waffe in der Hand und nickte ihnen zu.
»Tut mir leid«, sagte er, »aber bitte nicht auf diese Art und Weise. Dagegen bin ich allergisch.«
Sie sprachen kein Wort. Nur ihre Blicke fraßen sich an der Waffe fest. Angst zeigten sie auch nicht. Nur eine gewisse Unruhe, wie Suko festzustellen glaubte.
»Eine wirklich außergewöhnliche Nachbarschaft«, sagte er und lächelte kalt. »Besuchen Sie so immer die Bensons? Oder war das die Ausnahme?«
Er bekam keine Antwort. Die so unterschiedlichen Menschen wirkten trotzdem wie eine verschworene Gemeinschaft. Sie standen so dicht nebeneinander, daß sie sich mit den Armen und Schultern berührten. Ihre Gesichter waren ausdruckslos. Suko konnte nicht einmal raten, womit sich ihre Gedanken beschäftigten.
Der Mann war von den beiden Frauen in die Mitte genommen worden. Er machte eigentlich einen harmlosen Eindruck. Nur gefiel Suko das Beil nicht, das er nach wie vor in der Hand hielt.
»Mister, ich weiß nicht, wie Sie heißen, aber auch Unbekannte mag ich nicht, die Waffen tragen die mir persönlich nicht gefallen. Werfen Sie das Beil weg!«
»Und wenn nicht?«
»Schieße ich es Ihnen aus der Hand!« Suko hatte die Antwort ruhig gegeben. Möglicherweise lag es an dieser ruhigen Überlegenheit, daß Jack Winslow das Beil fallen ließ.
Es landete vor seinen Füßen. Das war Suko nicht genug. »Stoßen Sie es weg!«
Ein Fußtritt schleuderte die Schlagwaffe bis in Sukos Nähe. Er bückte sich und behielt die Mündung nach wie vor auf die drei Fremden berichtet. Dann steckte er das Beil in den Gürtel. »So«, sagte er, »wir könnten uns eigentlich wie vernünftige Menschen unterhalten – oder?«
Die Blonde lachte. »Das sagen Sie. Was ist mit Ihrer Kanone?«
»Keine Sorge, die stecke ich weg.« Suko ließ die Beretta verschwinden. Die drei vor ihm atmeten auf. Er selbst versperrte den Weg in das Spiegelzimmer. Suko ging davon aus, daß die Nachbarn nur gekommen waren, um das Zimmer zu betreten. Seiner Meinung nach wußten sie über die Verhältnisse bei den Bensons Bescheid. Er konnte sich nur keinen Reim darauf machen, in welcher Beziehung sie mit dem Ehepaar standen.
Aber sie hatten es eilig. Die ältere Frau stellte die erste Frage: »Wo finden wir Kyrä Benson?«
Suko lachte. »Eine wirklich gute Frage. Leider kenne ich die Antwort auch nicht.«
»Aber sie war hier.«
»Sie war hier. Jetzt ist sie nicht mehr da.«
»Das glauben wir Ihnen nicht«, sagte die Blonde. »Wir wollen die Wohnung durchsuchen. Wenn wir Ihre Leiche finden, sind Sie der Mörder, Mister!«
Suko lächelte süffisant. »Sie werden keine Leiche finden. Mir ist nur unklar, weshalb Sie die Wohnungstür aufgebrochen haben.«
»Weil Sie uns nicht hineinließen«, sagte Ruth.
»Ich hatte meine Gründe.«
»Sie sind ein Verbrecher!«
»Nein, Polizist, wie ich Ihnen schon erklärte.« Um seine Behauptung zu unterstreichen, zückte Suko seinen Dienstausweis.
»Und was haben Sie hier gewollt?« fragte Mandy Fox leise. »Sie sind doch nicht ohne Grund…«
»Das brauche ich Ihnen nicht zu erklären. Kyra Benson hat mich gerufen. Reicht Ihnen das?«
»Nein.«
»Dann kann ich Ihnen auch nicht helfen. Ich möchte Sie jetzt bitten, die Wohnung zu verlassen. Es wäre wirklich am besten. Hier haben Sie nichts zu suchen.«
»Sie aber auch nicht!« fuhr Ruth den Inspektor an. »Ich weiß nicht, was Sie bei…«
»Gehen Sie!«
Die drei Personen schauten einander an. Es sah so aus, als müßten sie erst noch darüber nachdenken. Dann sagte Jack Winslow: »Sie verschweigen uns etwas, Mister. Sie verschweigen uns eine ganze Menge!«
»Wie kommen Sie darauf?«
»Wir kennen die Bensons. Wir waren mit Ihnen befreundet. Wir haben zusammen gefeiert und gemeinsam gelitten. Deshalb wissen wir sehr genau über sie Bescheid. Hier stimmt einiges nicht.«
»Ist es so ungewöhnlich, daß am Abend jemand wegfährt?« fragte der Inspektor.
»Kyra ist nie weggefahren. Sie blieb immer im Hause. Sie war am Abend nur in der Wohnung.«
Suko schaute Mandy Fox an. »Woher wissen Sie das denn?«
»Weil wir sie gut kannten. Ich bin davon überzeugt, daß sie auch jetzt in irgendeinem Zimmer hockt und sich nicht bewegen kann, weil Sie als
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