0545 - Der teuflische Engel
Tresens festgehalten, wäre sie zusammengesunken.
Grand Hyatt schaute sich um. Er strich über sein Kinn und hatte die Mütze etwas zurückgeschoben. Braunes Haar wuchs wie die Stoppeln eines abgeernteten Feldes auf seinem Schädel. »Schön, Blumen-Lady, sehr schön. Jetzt hörst du mir genau zu.«
»Sicher.«
»Ich will, daß dieser komische Kunde noch einmal auf uns trifft. Wir haben noch eine Rechnung offen. Du, Süße, kennst den Kunden nicht. Das nehme ich dir sogar ab. Aber der Bulle, der die Blumen bekommen hat, wird ihn sicherlich kennen. Deshalb kannst du uns einen Gefallen tun. Ruf den Bullen an und lock ihn in den Laden.«
»Nein!«
Der Schläger lachte. »Was spricht dagegen?«
»Hier sind Kunden und…«
»Blumen-Lady, laß mich ausreden! Du sollst ihn nur herlocken. Dann wirst du ihm sagen, daß du es dir überlegt hast. Du kannst ihm erklären, wo der Kunde wohnt.«
»Aber das weiß ich nicht.«
»Hör auf, Süße! Ich sage dir, wo du ihn hinzulocken hast. Alles andere erledigen wir.«
Sie schaute ihn an. »Ich… ich würde ihm eine Falle stellen.«
»Dein Problem, Süße. Aber besser ist, wenn er in eine Falle läuft, nicht du, kapiert?«
»Ja.«
»Was hast du ihm eigentlich erzählt, als du bei ihm gewesen bist?«
»Nicht viel.«
»Oder alles?«
Wendy senkte den Kopf. »Ja, soweit ich Bescheid wußte, habe ich ihm alles gesagt.«
»War er nicht überrascht?«
»Schon.«
»Herrlich, dann wird er auch kommen. Bullen sind neugierig, weißt du? Die laufen jeder Spur nach…«
Das Telefon läutete. Wendy brauchte nur die Hand auszustrecken, um den Hörer abnehmen zu können. Sie meldete sich mit dem Namen des Geschäfts und bekam große Augen, während sie gleichzeitig den Kopf drehte und die Sprechmuschel abdeckte. »Er ist es!« flüsterte sie. »Es ist John Sinclair…«
Grand Hyatt nickte nur und griff nach der Schere. »Jetzt kommt es allein auf dich an, Süße, nur auf dich…«
***
Blitzschnell sprang ich in die Höhe, als ich sah, daß Glenda Perkins kippte.
Sie fiel unglücklich und hätte mit dem Kopf gegen die Wand schlagen können.
So schnell ich mich auch bewegte, es gab jemand, der noch rascher handelte. Suko erreichte Glenda vor mir und fing sie ab. Er ließ sie gegen seinen ausgebreiteten Arm fallen und schaffte es so, sie abzustützen. »Raus hier!« schrie er dabei.
Ich hatte bereits reagiert und war an der Tür zum Vorzimmer. Als ich sie öffnete, spürte auch ich die Weichheit in meinen Knien. Das verdammte Gas breitete sich aus, auch wir waren dagegen nicht gefeit. Suko schleppte Glenda auf die Tür zu. Sein Gesicht war verzerrt. Die Schwaden hatten die beiden längst erreicht. Seine Bewegungen wirkten viel mühseliger. Ich sah mich gezwungen, ihn zu unterstützen.
Wir brachten Glenda in die relative Sicherheit des Vorzimmers, wo wir sie auf den Boden legten. Suko hatte die Tür fest zugezogen.
Er war weiß im Gesicht geworden, hustete und wollte einen Arzt alarmieren.
»Moment noch.« Ich schaute mir Glenda an. Wenn sie nicht zuviel von dem verdammten Teufelszeug eingeatmet hatte, kam sie vielleicht bald wieder zu sich.
Suko holte Wasser, ich tätschelte ihre Wangen, die allmählich Farbe bekamen. Dann spritzte ich Wasser gegen ihr Gesicht, Glendas Wimpern zuckten, sie öffnete die Augen, schaute mich an und war so erstaunt, daß ich zurückzuckte. »Du, John?«
Ich lachte leise. »Wen hast du denn erwartet?«
»Das weiß ich nicht…«
»Aber nicht mich.«
»Nein«, sie richtete sich auf. Es klappte besser, als sie meine stützende Hand im Rücken spürte. Noch etwas wacklig auf den Beinen, ließ sie sich zum Stuhl führen. Die Zungenspitze huschte über ihre spröden Lippen. »Bitte, ich möchte noch etwas trinken.«
Suko reichte ihr das Glas, in dem sich noch ein Drittel Wasser befand. Sie leerte es, stellte es zur Seite und schüttelte den Kopf. »An dich habe ich wirklich nicht gedacht.«
»An wen sonst?«
»Ich war überhaupt nicht bewußtlos oder ohnmächtig.«
»Doch!« widersprach Suko. »Wir haben dich aufgefangen.«
»Das meine ich nicht. Ich glaubte zu reisen. Einfach wegzufahren.«
»Und wohin?«
»In eine andere Welt oder in eine fremde Landschaft, wo ich ihn dann sah. Den Mann mit der bläulichen Haut. Er war einfach wunderbar, John. Ich bin von ihm begeistert gewesen. Ich habe noch nie zuvor einen derart schönen Menschen gesehen. Bei ihm stimmte alles. Er war perfekt.«
Suko und ich wechselten Blicke, die Glenda ärgerten.
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