0545 - Der teuflische Engel
vom Straßenrand löste. Ich war schneller als ein Mercedes-Fahrer und lenkte den Rover auch geschickter in die Lücke.
Der Mann im Mercedes wurde leicht grün vor Wut. Ich hatte ihm noch zugewinkt.
Suko war als erster aus dem Wagen gestiegen, schaute sich um.
Verdächtiges entdeckte er nicht. In dieser Straße lief der mittägliche Betrieb völlig normal ab.
Wir marschierten in die Richtung, wo Wendy Lakeman uns erwartete. Sie wollte vor dem Geschäft warten. Ich war gespannt, was sie uns mitzuteilen hatte.
Es war verdammt heiß geworden. Die Sonne stach gnadenlos vom Himmel. Kein Lufthauch bewegte sich. Die Hitze stand zwischen den Häusern und lag wie ein zitterndes Netz über der Straße. Hinzu kamen die Abgase der Fahrzeuge. Sie trieben wie dünner Nebel in den Wärmestau hinein. Sehr klar war der Himmel nicht. Eine dünne Schicht aus langgezogenen Wolken lag vor dem Sonnenball.
Die Menschen schwitzten um die Wette. Ihnen rann das Wasser am Körper entlang. Vor allem denjenigen, die prall gefüllte Einkaufstaschen schleppten. Daß in der Nähe Markt sein mußte, erkannten wir an den Inhalten der Tüten.
Genügend Nichtstuer gab es auch. Sie lehnten an den Wänden, hatten ihre Köpfe durch Kappen geschützt, trugen dunkle Brillen und beobachteten den Verkehrsfluß aus Fußgängern und Autofahrern.
Hin und wieder gaben sie Bemerkungen ab oder machten die leicht bekleideten Girls an.
Auch für Suko hatten sie einige Spottworte übrig, während mir jemand Sonnenblumenkerne vor die Füße spuckte. Ich kümmerte mich nicht darum. Der Blumenladen lag nicht mehr weit weg. Sogar Wendy Lakeman konnte ich sehen. Sie stand neben dem Geschäft, war aber nicht allein. Bei ihr stand ein Typ mit strohgelbem Haar. Er trug eine Brille, deren rotes Horngestell besonders auffiel. Sein Flatterhemd besaß keine Ärmel, hing dafür aber über den Gürtel der Bermudas hinweg. In seinem linken Ohrläppchen blitzte ein Stein.
Wendy hatte ein Bein angewinkelt und die Fußsohle gegen die Wand gestemmt. Sie hörte zu, was der Knabe ihr sagte, der mit Händen und Füßen auf sie einredete.
Dann sah sie uns und winkte. Der Typ hörte auf zu reden, schaute in unsere Richtung.
»Hi, Wendy«, sagten wir.
Sie sah erleichtert aus und gleichzeitig verkrampft.
»Sind das die Typen, auf die du gewartet hast?«
»Ja.«
»Ich werd’ nicht mehr.«
»Wer sind Sie?« fragte ich.
Die Antwort gab Wendy. »Das ist Orry. Er komponiert und ist gleichzeitig noch Musiker. Ich kenne ihn locker.«
»Was komponieren Sie denn?« wollte Suko wissen.
Orry schaute meinen Freund von oben bis unten an. Nach einer Weile sagte er: »Ein Musical.«
»Gut. Haben Sie schon einen Titel?«
»Klar. Das Stück heißt Gluck-Gluck.«
»Wovon handelt es denn?« wollte ich wissen. »Von einem Taucher?«
»Nein, vom Untergang der Titanic, du Stinker.« Er nickte Wendy zu und swingte davon.
Wendy lachte. »Sie dürfen ihn nicht so ernst nehmen. Orry ist ganz in Ordnung. Er kommt eben nur aus der Szene.«
»Wir haben nichts gesagt«, meinte Suko. »Jeder hat so seine Szene. Wir auch.«
»Wie geht’s weiter?« fragte ich die Verkäuferin.
»Haben Sie Zeit?«
»Die nehmen wir uns.«
»Wir können nämlich nicht hier am Geschäft bleiben«, sagte Wendy. »Ich muß Sie wegbringen.«
»Wegen der Münze.«
»Nein, Mr. Sinclair. Oder auch das. Es geht um den Mann, wissen Sie? Hier können wir nicht reden.«
»Weshalb nicht?«
Wendy schaute zu Boden, als würde sie sich schämen. »Ich habe Ihnen doch bei meinem Besuch den Mann beschrieben, der die Blumen für Sie bestellte. Sie haben ihn nicht gekannt. Ist das richtig?«
»Stimmt.«
»Aber ich wiederum kenne Personen, die ihn kennen.«
»Sagen Sie nur.«
»Ja.«
»Und wo finden wir die?« wollte Suko wissen.
»Sie müssen mir folgen. Hier an der Straße wollten sie nicht warten. Es ist auch nicht weit.«
Wendy Lakeman hatte hastig gesprochen. So als würde sie sich selbst nicht wohl fühlen. Außerdem hatte sie es nicht geschafft, uns während ihrer Worte anzublicken.
Da stimmte etwas nicht.
Daß Suko ähnlich dachte wie ich, entnahm ich seinem Blick. Wir ließen uns allerdings nichts anmerken und nickten. »Dann wollen wir mal los, Miß Lakeman.«
»Ich gehe vor.«
Sie ging nicht vor, wir nahmen sie in die Mitte und machten uns auf den Weg.
Beim Herkommen hatten wir die Frauen mit den prall gefüllten Tüten und Taschen gesehen. Jetzt gingen wir dorthin, wo sie die Ware gekauft hatten, auf den
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