0547 - Der Vampir-Gnom
das brauche ich nicht«, erwiderte ich steif. Ich kam noch einmal auf den Butler zurück. »Dieser Harry ist doch mehr als nur Ihr Diener, oder?«
»Natürlich, er ist ein ausgebildeter Einzelkämpfer.«
»Wunderbar. Hätte er mit dem Blutsauger denn nicht fertigwerden können?«
»Das weiß ich nicht. Außerdem will er nicht wahrhaben, daß es Vampire gibt. Er glaubt nicht an die Bedrohung. Ich habe das Thema einmal angeschnitten und es rasch wieder sein lassen, als ich seine Reaktion merkte. Vergessen wir das also.«
Ich hatte eine weitere Frage. »Was macht Sie eigentlich so sicher, daß es sich bei Ihrem Gegner tatsächlich um einen Vampir handelt, Mr. Manford?«
»Ja, das möchte ich auch gern wissen, Brod. Du hast auch mit mir kaum über diese Thema gesprochen.«
»Es ist die Vergangenheit.«
Als er sah, daß ich verständnislos den Kopf schüttelte, wurde er genauer. »Ich kann auch sagen, der Fluch der Manfords. Es liegt gut zweihundert Jahre zurück, da hat es begonnen. Aus unserer Familie verschwand aus rätselhaften Umständen jedesmal ein Mitglied. Jede Generation verlor entweder eine männliche oder eine weibliche Person, Sie war weg, urplötzlich, und sie tauchte auch nicht wieder auf.«
»Hat man nie eine Leiche gefunden?«
»Nein, Mr. Sinclair, das hat man nicht. Das ist unser Problem, keine Leiche, keine Nachricht mehr.«
»Was hat es mit dem Vampir zu tun?«
Er hob eine Hand. »Darauf werde ich noch kommen. Natürlich haben meine Vorfahren Nachforschungen anstellen lassen. Auch ich tat es, und ich habe wohl Erfolg gehabt, denn mir fiel ein altes Schriftstück in die Hände, das ich als Familienurteil ansehe. Im Jahre 1787 ist es ausgestellt worden.«
»Von wem?«
»Von Sir John Manford. Er herrschte hier. Unsere Familie gehörte damals noch dreimal so viel Land wie heute. Auf diesem Land trieb sich jemand herum, der Zumbra hieß. Ein Gnom, ein Verwachsener, wie aus den Unterlagen hervorging. Ein Mensch, der von einer Zigeunersippe ausgestoßen wurde und sich in den Wäldern und den nahen Höhlen versteckte. Allerdings nur bei Sonnenlicht. In der Nacht machte er sich auf den Weg, um seine Opfer zu holen. Er wollte ihr Blut.«
»Das ist sicher?«
»Zeugen haben es belegt. Er griff Menschen und Tiere an. Er konnte dann gefangen und abgeurteilt werden.«
»Zum Tode.«
»Genau.«
»War dieser Sir John dazu berechtigt?«
Manford winkte ab. »Wer fragt schon danach? Mein Ahnherr jedenfalls hatte die Macht.«
»Und wie ging es weiter?«
»Man tötete ihn und begrub ihn.«
»Wie hat man Zumbra getötet?«
»Gehängt!«
Ich schaute Manford so intensiv an, daß er nervös wurde. »Wie? Glauben Sie mir nicht?«
»Schon. Nur kann man einen Vampir, falls es sich bei Zumbra tatsächlich um einen solchen handeln sollte, nicht hängen.«
»Das weiß ich jetzt auch.«
»Und nach seinem Tod verschwanden die Menschen?«
»Ja. Er ist natürlich nicht auf einem normalen Friedhof begraben worden. Man verscharrte ihn irgendwo. Dann muß er sein Grab verlassen haben, um seine Rache zu beginnen.«
Mein Vater unterbrach den Redefluß des Hausherrn. »Was sagst du zu dieser Theorie, John?«
Ich hatte die Stirn in Falten gelegt. »Sie will mir nicht so ganz in den Kram passen.«
»Weshalb nicht?«
»Das will ich erklären, Dad. Gesetzt den Fall, Zumbra ist tatsächlich ein Vampir und hat sich die Opfer der Reihe nach geholt, dann mußten wir doch auch davon ausgehen, daß die Opfer ebenfalls zu Blutsaugern geworden sind.«
Mein alter Herr verstand. Seine Augen weiteten sich, er wurde etwas käsig. »Und Vampire brauchen Blut.«
»Ja, so ist es. Sie hätten sich also auf den Weg machen müssen, um andere Menschen zu überfallen.« Ich schaute Manford an. »Ist so etwas geschehen? Haben Sie darüber Aufzeichnungen gefunden?«
»Nein.«
»Auch nicht über rätselhafte Vorgänge in neuerer Zeit?«
»Die Mitglieder der Familie blieben verschwunden, Mr. Sinclair. Da half alles nichts.«
»Aber wie kommen Sie darauf, daß es ein Vampir gewesen sein könnte? Und gerade dieser Zumbra?«
»Ich sah ihn.«
»Das hast du mir gar nicht gesagt!« beschwerte sich mein Vater lautstark.
Manford hob die Schultern. »Ich hielt es nicht für nötig, verstehst du? Wichtig ist doch, daß ich ihn gesehen habe. Alles andere kannst du vergessen.«
»Wie war das genau?«
»Er kam in der Nacht. Ich hörte in meinem Schlafzimmer Geräusche am Fenster. Als ich mit der Taschenlampe hinleuchtete und das Licht durch
Weitere Kostenlose Bücher