0547 - Der Vampir-Gnom
Sie können ihnen nichts beweisen.«
»Das weiß ich selbst, aber…«
Lisa erhob sich. »Es tut mir leid, wenn ich eure Diskussion störe, aber ich möchte mich hinlegen.« Der Reihe nach lächelte sie uns an.
»Bei einem derartigen Schutz im Haus kann ich mir das wohl erlauben.«
»Das meine ich auch!« Ihr Vater nickte.
Lisa ging wieder zu ihm und küßte ihn. Die Beziehung zu seinem einzigen Kind war sehr ausgeprägt. Auch uns nickte sie zu. Mich schaute sie etwas länger an, wobei um ihren weichen Mund ein geheimnisvolles Lächeln huschte.
Wie ich es verstehen sollte, war mir unklar. Vielleicht als eine Aufforderung?
Wenn ja, würde ich ihr nicht nachkommen. Als Lisa die Treppe erreicht hatte, die in einem weiten Bogen der ersten Etage entgegenführte, nahm ich wieder Platz.
Broderick Manfords Gesicht hatte einen weichen Ausdruck bekommen. »Sie ist alles, was ich habe«, sagte er leise. Selbst dieser harte Mann konnte Gefühle zeigen.
»Wie wird Ihre Tochter mit dem Wissen über den Familienfluch fertig?«
Er schaute mich nachdenklich an. »Sie hat ihn akzeptiert, allerdings mußte ich lange auf sie einreden.«
»Das kann ich mir vorstellen.«
Mein Vater war kribbliger als ich. »Wie geht es jetzt weiter, Broderick?«
»Überhaupt nicht, Horace. Wir können nur darauf warten, daß die beiden Killer es geschafft haben.«
Da war ich sehr skeptisch. Aber das behielt ich für mich. In den nächsten Stunden würde sich einiges entscheiden…
***
Harry, der Butler, war ein Mensch, der seit einigen Jahren an der Seite von Broderick Manford lebte. Er war Diener, Pfleger und Leibwächter in einem. Hin und wieder stand er auch in der Küche und kochte. Die Armee hatte er mit beiderseitigem Einverständnis verlassen, worüber er nicht traurig war, auch wenn er oft genug diese dumme Butler-Uniform tragen mußte, aber das Gehalt, das ihm der alte Manford zahlte, wog eigentlich alles auf.
Harry hatte auch den Kontakt zu den beiden Killern hergestellt. Er hatte sie vor Jahren bei einem Geheimkommando kennengelernt und sich ihrer wieder erinnert.
Freunde waren sie deshalb nicht geworden. Sie akzeptierten sich in geschäftlichen Dingen, mehr auch nicht.
Sein Chef hatte ihn über die genauen Zeitabläufe informiert. Für Harry gab es nichts weiter zu tun, als zu warten. Er wohnte im Westflügel des Hauses. Das Zimmer war sehr geräumig. Ihm angeschlossen waren ein Bad und eine Küche.
Auf dem Bett hatte Harry seine Waffen ausgebreitet. Zwei Revolver, ein feststehendes Messer und eine MPi der Marke UZI. Er wollte nicht gerade in den Krieg ziehen, aber er war stets bereit, sich verteidigen zu müssen. Deshalb pflegte er seine Waffen. Die Maschinenpistole verstaute er wieder, ebenso wie den ersten der beiden Revolver. Den anderen steckte er ein. Das Messer nahm er auch mit. Er besaß für die Waffe eine schmale Lederscheide. Sie war an der Rückseite des Gürtels befestigt.
Genau um Mitternacht stellte er den Koffer in seinen Schrank. Ab jetzt lief der Countdown.
Harry hatte sich umgezogen. Er trug dunkle Kleidung und auch dunkle, weiche Schuhe mit Sohlen, auf denen er sich lautlos bewegen konnte. In seinem Hinterkopf hatte sich der Gedanke an den Vampir festgesetzt, obwohl er sich damit nicht anfreunden konnte.
Harry glaubte einfach nicht an diese Geschöpfe.
Im Bad warf er einen Blick in den Spiegel. In den letzten Jahren war er schon gealtert. Sein Haar hatte einen leichten Grauschimmer bekommen, doch die Figur konnte sich noch immer sehen lassen. Da war kein Gramm Fett zuviel. Das regelmäßige Training machte sich eben bemerkbar.
Nicht verbergen ließ sich die lange Narbe auf seiner breiten Stirn.
»Dann wollen wir mal!« flüsterte er sich selbst zu und verließ das quadratische Badezimmer mit den hellen Kacheln. Sein Auftrag lautete, vor dem Haus auf die beiden Killer zu warten und ihnen einen dicken, gefütterten Umschlag zu übergeben. Harry wußte, daß darin der Killerlohn seines Chefs war.
Durch einen schmalen Gang erreichte Harry eine an der Seite angebrachte Tür. Auch wenn keine Gefahr in der Nähe lauerte, zog er Türen stets vorsichtig auf und stürmte auch nicht wie ein Berserker aus dem Haus. Er verließ es mit zwei großen, schleichenden Schritten und sicherte zunächst nach beiden Seiten. Es ließ sich nicht vermeiden, daß er den Lichtschein einer Laterne passierte. Unter den Kuppen tanzten Mücken in dichten Schwärmen. Auch Fliegen sirrten noch durch die Luft. Irgendwo im nahen
Weitere Kostenlose Bücher