0548 - Knochen-Cowboy
Revolverheld in Texas und Arizona gewesen sein. Damals, im vorigen Jahrhundert.«
»Und wie kam er nach Schottland? Ausgerechnet in diese Gegend?«
McAssig lachte auf. »Das ist eine ziemlich lange und auch unwahrscheinliche Geschichte.«
»Ich habe Zeit.«
Schnaufend atmete er aus, bevor er mit seiner Erzählung begann.
»Damals ist Morgan Clusky in die Staaten ausgewandert. Er wollte dort sein Glück machen. Viele Schotten gingen in die Neue Welt. Nach zwanzig Jahren kam er dann zurück, um hier begraben zu werden.«
»Das ist alles?«
»Im Groben.«
»Wo wurde er begraben?«
»Nicht auf einem Friedhof. Er hat sich ein Grab in der Natur ausgesucht. Die Menschen hier in der Gegend waren froh, als es endlich soweit war. Sie haßten ihn, weil er sich nicht hatte ändern können. Noch immer dachte er daran, in den Staaten oder im Wilden Westen zu sein. Er kleidete sich so, er war immer bewaffnet und löste Probleme auf die harte Tour. Dabei ließ er Tote zurück, die seinen Weg kennzeichneten.«
Ich fuhr durch mein Haar. »Wie ist er dann umgekommen?«
»Angeblich soll man ihm eine Kugel in den Rücken geschossen haben. Mit der im Rücken steckenden Kugel hat er noch einige Zeit gelebt, bevor er darum bat, verscharrt zu werden.«
»Dann hat man ihn lebendig begraben?«
McAssig hob die Schultern. »Alles lief darauf hinaus. Er muß als Lebender in die Erde gesteckt worden sein.«
Ich räusperte mich. »Das ist ein starkes Stück. Und jetzt ist er zurückgekehrt.«
»Leider.«
»Wissen Sie noch mehr?«
»Nein.« McAssig schüttelte den Kopf. »Ich… ich kann mir das alles nicht erklären. Für mich ist es unbegreiflich. Ich … ich …« Er schluckte. »Verstehen Sie mich nicht falsch. Ich weiß nicht, was er hier will!«
»Rache?«
Der Wirt hob seine kaum erkennbaren Augenbrauen. »An wem, bitte sehr, hätte er sich rächen sollen?«
»An den Personen, die ihm damals ans Leder wollten.«
»Die sind längst tot.«
»Aber sie haben Nachkommen«, sagte ich leise.
Link McAssig schaute mich mit trübem Blick an. Bedächtig hob er seine Hand und wischte damit über sein Gesicht. Als er schluckte, bewegte sich sein Adamsapfel. Zudem zitterte er mit den Beinen.
»Was… was Sie da sagen, klingt unwahrscheinlich. Gleichzeitig macht es mir Angst. Es würde bedeuten, daß dieses Skelett nach Tweedsmuir geht und dort mit seinem Rachefeldzug beginnt.«
Ich nickte. »Das ist alles schon mal dagewesen.«
»Aber nur in Wildwest-Geschichten.«
»Auch.«
»Verdammt.« McAssig stöhnte und schlug mit der Faust auf die Tischplatte. »Ich komme da einfach nicht mit. Ich weiß nicht, was und wieso…«
»Nun ja, keine Panik. Ich bin jetzt hier und werde mich um diesen Morgan Clusky kümmern.«
»Wie wollen Sie das schaffen? Er ist Ihnen über.«
»Mal sehen. So ohne Erfahrungen bin ich nicht.«
»Auch was Skelette angeht?« Er schaute mich an, als hätte ich ihn mit der Antwort zum Narren gehalten.
Ich mußte lächeln. Es war immer schwer, wenn ich andere Menschen von meiner Arbeit überzeugen wollte. Die meisten glaubten mir eben nicht. Sie hielten mich für einen Spinner, einen Phantasten.
Das stimmte nicht. Ich weihte McAssig natürlich nicht ein, ließ aber durchblicken, daß ich auf dem Gebiet der Geisterjagd meine Erfahrungen besaß. Bei ihm, einem typischen Schotten, hatte ich es leichter. In diesem Landstrich glaubten die Menschen noch an das Übersinnliche, an Vorgänge, die rational nicht erklärbar waren.
»Na ja«, meinte er und schenkte noch einmal nach. »Wenn das so ist, kann ich ja Hoffnung haben.«
»Das glaube ich auch.« Ich stand auf. »Sie haben vorhin von Charly, Ihrem letzten Gast gesprochen. Ich hörte Schüsse, die im Freien aufgeklungen waren…«
»Sie wollen Charly suchen?«
»Das hatte ich tatsächlich vor.«
»Gut.« Auch McAssig stand auf. »Ich habe ihn durch die Hintertür entlassen. Er ist dann quer durchs Gelände gelaufen. Irgendwann hörte ich den Schuß und auch den Schrei…«
»Okay, das reicht.«
McAssig brachte mich noch an die Hintertür. Erst wollte er mitgehen, weil er Furcht davor hatte, allein in seiner Gaststätte zurückzubleiben. Dann überlegte er es sich anders, weil er der Ansicht war, daß der Knochen-Cowboy so schnell nicht zurückkommen würde.
»Und wenn er kommt«, kolportierte ich einen alten Witz, »dann geben Sie ihm ein Bier und gleichzeitig noch einen Wischlappen.«
Darüber konnte McAssig nicht lachen.
Ich versprach ihm, so bald wie
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