0548 - Knochen-Cowboy
möglich zurück zu sein und machte mich auf die Socken.
Die Nacht, so unangenehm und schwül sie auch war, besaß trotzdem einen großen Vorteil. Sie war mondhell, ich konnte zunächst auf meine lichtstarke Halogenleuchte verzichten.
Hinter dem Pub breitete sich ein unebenes Gelände aus. Senken, Hänge und welliger Boden lösten sich ab. Gestrüpp und hohes Unkraut nahmen mir manchmal die Sicht. Später schaltete ich die Lampe ein, suchte nach Spuren und glaubte, auch Fußabdrücke im Boden zu sehen. Zumindest dort, wo das Gras niedergetreten war.
Auch Pechvögel haben Glück. Als ich stehenblieb und den Lampenstrahl schwenkte, entdeckte ich die dunkle Gestalt. Sie lag verkrümmt im Gras.
Wenig später wußte ich Bescheid. Die Kugel hatte den letzten Gast direkt in die Brust getroffen und sein Leben ausgelöscht. Noch immer standen das Staunen und auch das Entsetzen in seinen Zügen wie festgemeißelt.
Ich richtete mich wieder auf. Der Rücken wurde von einer Gänsehaut bedeckt. Ich dachte an den Killer, der in dieser Nacht noch unterwegs war. Ich stand ohne Deckung im freien Gelände. Wenn er in einem Hinterhalt lauerte, war es um mich geschehen.
Er ließ sich nicht blicken. Mutterseelenallein stand ich neben dem toten Charly.
Meine Gedanken beschäftigten sich mit dem lebenden Skelett. Was hatte dieses schwarzmagische Wesen vor? Weshalb war es zurückgekehrt? Gut, McAssig hatte mir eine Erklärung oder ein Motiv genannt, aber beides klang mir zu dünn.
Ich wollte den Toten nicht einfach in der freien Natur liegenlassen und lud ihn auf meine Schulter. Er war verdammt schwer. Hinzu kam die allmählich einsetzende Leichenstarre, so daß ich mich mit dem Körper regelrecht abschleppte.
McAssig hatte mich kommen hören. Der Wirt erwartete mich an der Hintertür und bekam große Augen, als er Charly über meiner linken Schulter liegen sah.
»Sie… Sie haben ihn geholt?«
»Das sehen Sie doch«, keuchte ich. »Bitte, machen Sie Platz.«
Er schauderte zusammen, als ich an ihm vorbeiging. Später, als der Tote in der Gaststätte lag, wandte McAssig den Blick ab. »Soll er jetzt bei mir liegen?«
»Keine Sorge, ich lasse ihn abholen. Gibt es in Tweedsmuir eine Polizeistation?«
»Ja, wir haben einen Konstabler.«
»Auch einen Leichenbestatter?«
»Sicher.«
»Dann sollen beide herkommen.«
McAssig staunte. »Jetzt?«
»Natürlich. Leute mit den Berufen müssen immer im Dienst sein, wenn Sie verstehen.«
»Ja, natürlich.«
»Wo steht das Telefon?«
»In der Küche.«
Der Wirt brachte mich in einen schmalen Raum, in dem gekocht wurde. Da stand noch ein alter Herd, den man mit Kohle heizen mußte. Ich telefonierte und wurde zunächst einmal ausgelacht. Sogar ziemlich wütend, denn ich hatte den Kollegen im ersten Schlaf gestört. Zudem hielt er mich für angetrunken. Erst als McAssig mit ihm sprach, glaubte er uns und versprach, so rasch wie möglich zu kommen.
»Wie geht es jetzt weiter?« wurde ich gefragt.
»Tja, Mr. McAssig, wenn ich das wüßte, wäre mir auch wohler…«
***
Der Konstabler hieß Bantham, trug das rötliche Haar streng gescheitelt und hatte ein langes Gesicht, dessen Haut gelblich schimmerte.
Sie wurde noch gelber, als er den toten Charly sah. Ich hatte ihm mittlerweile meinen Ausweis gezeigt, jetzt war er zufrieden.
Eine Mordkommission sollte nicht mehr hinzugezogen werden.
Der Leichenbestatter, er verkaufte gleichzeitig Särge und Grabsteine, wollte Charly abtransportieren.
Ich hatte nichts dagegen und schaute zu, wie der Tote in den mitgebrachten Sarg gelegt wurde, eine alte Holzkiste, die bestimmt schon einige Male benutzt worden war.
Er half mir tragen. Auf der Ladefläche eines dunklen Autos verstauten wir den Sarg.
»Kann ich fahren, Sir?«
»Sicher.«
Bantham blieb noch. Er knackte mit seinen langen Fingern, ging in den Pub zurück und genehmigte sich einen Whisky. »Den muß ich einfach auf den Schreck hin haben.«
»Er sei Ihnen gegönnt.«
Wir sprachen über die Tat. Ich sah keinen Grund, ihm die Wahrheit zu verschweigen. Einen Kommentar gab er eigentlich nicht ab, dafür bekam er eine zweite Haut. »Die alte Geschichte«, flüsterte er.
»Wissen Sie mehr?«
»Nur das, was man sich über Morgan Clusky erzählt. Mit seinem Namen erschreckt man kleine Kinder bei uns im Ort. Niemand hat damit gerechnet, daß er je wieder zurückkehren würde.«
»Und jetzt ist er da.«
Bantham schaute mich zweifelnd an. »Stimmt das auch?«
»Ich kann es schwören!«
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