0548 - Knochen-Cowboy
ich rechts des Schranks die Gestalt des Skeletts. Leider nicht lange genug, um zielen, schießen und auch treffen zu können.
Zudem fiel mir der Schrank entgegen.
Er tickte zweimal auf, dann hatte er die richtige Geschwindigkeit bekommen. Polternd und krachend nahm er seinen Weg und würde mich, wenn ich nicht schnell genug wegkam, unter sich begraben.
Ich wuchtete mich zurück und gleichzeitig zur Seite, fiel fast in den zweiten Gang hinein, als der Schrank die Treppe hinter sich gelassen hatte und von der ersten Stufe zu Boden krachte.
Die Türen flogen in diesem Augenblick erst auf. Kleidung rutschte hervor. Anzüge, Jacken, Hemden, Unterwäsche.
Ich sah es, als ich den Schrank praktisch als Sprungbrett benutzte, um wieder auf die Treppe zu gelangen. Dabei war ich noch vorsichtig, weil ich von keinem zweiten Möbelstück überrascht werden wollte.
Glatt und sicher kam ich die Treppe hoch, erreichte einen Flur, sah eine offenstehende Tür, katapultierte mich mit einem Hechtsprung dicht über den Boden hinweg in das Zimmer hinein und prallte mit der Schulter gegen ein Bettgestell.
Das war auch alles.
Den Knochen-Cowboy sah ich nicht.
Er hatte auch alle Chancen gehabt, den Raum zu verlassen, denn das Fenster stand offen.
Ich lief hin, ließ mir für einen Moment den Wind um die Nase wehen und schaute hinaus.
Die Rückseite des Gebäudes sah aus, als wäre sie in pechschwarze Farbe getunkt worden. Auch im Garten rührte und bewegte sich nichts. Keine Gestalt, die vor irgend etwas weglief, eine gefährliche, unnatürliche Ruhe hatte sich ausgebreitet.
Ich ging wieder zurück, drehte mich auf der Stelle und zielte auf die offene Tür.
Auch dort zeigte sich niemand. An der Seite, wo einmal ein Schrank gestanden hatte, war die Wand heller. Ich dachte darüber nach, daß der Knochen-Cowboy verdammt viel Kraft gehabt haben mußte, um den Schrank überhaupt bewegen zu können.
In dieser Etage durchsuchte ich noch zwei weitere Zimmer. Einen Wohnraum und ein kleines Bad mit nicht gekachelter Wanne. Den Knöchernen fand ich leider nicht.
Und auch nicht diejenige Person, die mit einem Gewehr geschossen hatte. Ich war keiner Täuschung erlegen. Etwas stimmte in diesem Gasthaus auf jeden Fall nicht.
Ich ging wieder die Treppe hinab. Äußerst wachsam, die Beretta schußbereit.
Welch eine Nacht!
Zuerst der lange Abschied von meinen Eltern, danach die Reifenpanne und nun das Erscheinen des schießenden Skelett-Cowboys.
Was da genau dahintersteckte, war mir ein Rätsel. Wenn sich irgend jemand einen Scherz erlaubt hatte, war es ein verdammt übler.
Ich gehörte tatsächlich zu den Menschen, die immer vom Regen in die Traufe gerieten. Es gibt ja diese Personen, denen das Pech an den Schuhsohlen klebt.
Das Haus behielt seine Stille. Nur meine Schritte waren zu hören gewesen. Trotzdem ging ich davon aus, daß sich außer mir noch jemand zwischen den Mauern aufhalten konnte. Ich dachte an die Gewehrschüsse, den Schrei, den Revolverschuß.
Da hatte das Skelett abgedrückt…
Über lebende Skelette brauchte ich nicht mehr lange nachzudenken. Schon einige Male war ich ihnen begegnet. Knochen-Zombies, die auf magische Art und Weise ein untotes und gleichzeitig grausames Leben erhalten hatten. Alles wies darauf hin, daß ich auch hier über einen Fall gestolpert war.
In der Türöffnung blieb ich stehen. Mein Blick flog hinein in die Gaststätte.
Sie war menschenleer.
Niemand lauerte mir auf oder schoß auf mich. Ich entspannte mich ein wenig, steckte die Silberkugel-Beretta allerdings nicht weg.
Die Mündung schaute wie mein drittes Augen in den Raum.
»Laß fallen, verdammt! Laß deine verdammte Puste fallen, sonst schieße ich dir durch deinen Schädel!«
Diesmal hatte mich die Stimme überrascht, sie war von links an meine Ohren gedrungen. Der Sprecher mußte sich hinter der Theke versteckt halten, in Deckung, so daß ich mich zunächst als zweiten Sieger betrachten konnte.
»Hören Sie, Mister…«
»Weg mit der Waffe!«
»Sie haben ein Gewehr, nicht?« fragte ich.
»Und wie.«
»Sie haben auch geschossen?«
»Klar.« Seine Stimme zitterte. Der Mann, den ich bisher noch nicht gesehen hatte, stand unter Strom.
»Haben Sie getroffen?«
»Sicher!«
»Ohne Erfolg, Mister. Der andere war stärker. Er ist stärker. Wissen Sie, wer er ist?«
»Ja – nein…«
»Ich hätte ihn fast gehabt. Sie sollten von Ihrem Vorhaben Abstand nehmen, Mister. Ich bin gekommen, um Ihnen zu helfen. Wäre ich nicht
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