0548 - Knochen-Cowboy
erschienen und hätte dieses Monstrum abgelenkt, lägen Sie womöglich tot zwischen den Tischen.«
Meine Worte gaben ihm zu denken. Zwar konnte ich nicht hören, wie er nachdachte, doch wenn er ehrlich zu sich selbst war, mußte er einsehen, daß ich nicht auf der Seite des Skelett-Cowboys stand.
»Ich werde jetzt meine Waffe wegstecken, Mister. Danach können wir vernünftig miteinander reden.«
Er hinderte mich nicht daran, die Beretta in die Halfter zu stecken.
Sehr langsam drehte ich mich um.
Jetzt erst sah ich ihn. Das Licht war etwas schwach, doch ausreichend für meine Betrachtungen.
So wie er sah eigentlich nur ein Wirt aus. Klein, Rundbauch, wenig Haare auf dem Kopf – irgendwie gemütlich. In diesem Augenblick zeigte das Gesicht Angst. Dieser Mann fürchtete sich trotz der Waffe, die er festhielt.
Auch ich mochte es nicht, wenn eine Mündung auf mich wies.
»Okay?« fragte ich ihn.
Er senkte den Lauf um keinen Deut. »Wer sind Sie?«
»Mein Name ist John Sinclair. Ich bin erstens auf der Durchreise, habe zweitens eine Reifenpanne und bin zudem noch Polizist. Oberinspektor bei Scotland Yard, um genau zu sein.«
Er gab keine Antwort. Ich konnte auch nicht erkennen, ob er mir glaubte. »Soll ich meine Worte noch einmal wiederholen?«
»Nein.«
»Dann glauben Sie mir?«
»Vielleicht«, flüsterte er. Plötzlich lachte er auf und legte das Gewehr auf die Theke. Mit der flachen Hand schlug er ebenfalls darauf, beugte sich vor und preßte seine Stirn auf den Handrücken.
»Das ist doch nicht möglich«, hörte ich ihn sprechen. »Das ist doch der nackte Wahnsinn.«
»Einen Schluck könnten wir beide vertragen, meine ich.«
»Ja.«
Ich holte eine Flasche aus dem Regal und kippte zwei doppelte Whisky in die Gläser. Eines drückte ich ihm zwischen die Finger.
»Trinken Sie mal, dann sehen wir weiter.«
Er schlürfte das Zeug. Als das Glas leer war, ließ er es über den Tresen rutschen. Ich trank in langsamen Schlucken und mußte eingestehen, daß ich einen guten Griff getan hatte. Der Whisky war weich, er brannte nicht in der Kehle.
Der Wirt drückte sich an mir vorbei. Ich ließ ihn gehen. An einem Tisch nahm er Platz und schaute mich an. »Ich bin Link McAssig, Mr. Sinclair. Mir gehört der Pub.«
»Das hatte ich mir fast gedacht.«
»Und ich habe heute«, so sprach er mit leiser und modulationsloser Stimme weiter, »das nackte Grauen kennengelernt. Ich hätte nie gedacht, daß es so etwas gibt.«
»Sie meinen das Skelett?«
»Was sonst?«
Ich nahm mein Glas und ging zu ihm. Als ich neben ihm saß, roch ich den säuerlichen Schweißgeruch. »Wollen Sie nicht von Beginn an berichten, Mr. McAssig?«
Er hob die Schultern. »Was hilft das schon?«
»Vielleicht uns. Oder nur mir. Ich habe mir nämlich vorgenommen, diesen komischen Knochen-Cowboy zu jagen.«
»Der wird Sie killen. Wie auch Charly.«
»Wer ist Charly?«
»Ein Gast.«
»Wäre es jetzt nicht besser, wenn Sie von vorn anfangen, Mr. McAssig?«
Er atmete stöhnend auf. »Ja, ist gut. Ich werde reden. Bitte, holen Sie die Flasche und mein Glas.«
Er bekam es, trank und sprach dabei. Ich erfuhr eine sehr unwahrscheinliche Geschichte, die ich trotzdem glaubte, gerade weil sie sich so völlig verrückt und unwahrscheinlich anhörte. Und ich bekam auch mit, wer dieser Charly war und wem die ersten Schüsse gegolten hatten.
»Haben Sie denn gesehen, wie Charly starb?«
»Nein, Sir. Ich gehe nur davon aus, daß er nicht mehr lebt.«
»Dann müßte seine Leiche ja zu finden sein.«
»Sicher.«
»Ich werde später nachschauen. Es geschieht nichts ohne Grund.«
Ich beugte mich vor. »Können Sie sich als Einheimischer einen Grund vorstellen, weshalb diese Gestalt aufgetaucht ist?«
Er hob die Schultern.
Die Antwort gefiel mir natürlich nicht. Ich schlug einen Bogen.
»Als ich Sie vorhin fragte, wer dieser Unbekannte ist, da haben Sie meine Frage verneint und gleichzeitig bejaht. Ist das richtig.«
»Kann sein.«
»Also, Mr. McAssig, wer ist dieses Monstrum?«
»Morgan Clusky.«
»Gut, wunderbar. Ein Untoter, ein Zombie-Skelett, das auf irgendeine Art und Weise lebt und dabei aussieht, als wäre es einem Grab aus dem Wilden Westen entsprungen.«
Er starrte mich an. In seinen kleinen Augen glitzerte es. »Das ist möglich.«
»Daß er einem Grab entsprungen ist?«
»Beides. Auch der Vergleich mit dem Wilden Westen stimmt. Morgan Clusky ist schon lange tot. Über einhundert Jahre. Der Legende nach soll er ein großer
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