055 - Das Monster von Greenfield
Erst als er sich in plötzlicher Panik zur Flucht wenden wollte, stieß er gegen den Unbekannten.
Mr. Chamberlain sah ein affenartiges Gesicht, das halb unter einem steifen Zylinder verborgen war. Ein Stock mit einem Silberknauf blitzte auf, und er erhielt einen Stoß, der ihn durch die Diele schleuderte. Halt suchend bekam er den leblosen Körper seines Hundes zu fassen. Der Strick, an dem der Hund hing, riss, und Mr. Chamberlain fiel mitsamt dem toten Körper ins Wohnzimmer. Mit einem unartikulierten Aufschrei stieß er den Kadaver angeekelt von sich. Er war blutbesudelt; aber das war nicht so wichtig; schlimmer war der unheimliche Mann hinter ihm.
Mr. Chamberlain wirbelte herum, wollte gleichzeitig auf die Beine kommen und stolperte in der Hocke rückwärts. Er schrie, als der Stock auf ihn niedersauste.
»Ha, Mr. Chamberlain, sie wollten doch meinen Schützling Mike hängen sehen, nicht wahr?«, geiferte Mr. Hyde. »Sie haben es selbst nicht tun wollen, aber sie hätten es stillschweigend geduldet.«
»Bitte!«, kam es gurgelnd über Mr. Chamberlains Lippen. »Bitte, schlagen Sie mich nicht! Sie können alles von mir haben, was Sie wollen – alles. Nur hören Sie auf, mich zu schlagen!«
Mr. Hyde hatte den Stock schon zum nächsten Schlag erhoben, hielt jetzt aber mitten in der Bewegung inne. Seine Augen bekamen einen listigen, verschlagenen Ausdruck.
»Alles?«, fragte er mit schiefem Mund. »Und werden Sie sich auch still verhalten? Kann man mit Ihnen reden, Mr. Chamberlain? So von Mann zu Mann?«
Mr. Chamberlain nickte eifrig. Er spürte, dass ihm etwas warm aus der Nase rann.
»Ja, ich werde still sein«, versprach er. »Sie bekommen alles Geld, das ich im Hause habe.«
»Ich pfeife auf Ihr Geld«, sagte Mr. Hyde verächtlich. »Ich will was anderes. Genugtuung für meinen Schützling Mike. Würden Sie ihm die Hand zur Versöhnung reichen? Würden Sie das tun?«
»Aber …« Mr. Chamberlain besann sich noch rechtzeitig, dass er es hier mit einem Verrückten zu tun hatte. »Ja, ich will Mike die Hand reichen und ihn um Verzeihung bitten. Das tue ich ganz bestimmt. Hier, Mike, meine Hand.«
Mr. Chamberlain hielt dem Eindringling die Hand hin, aber der schlug mit dem Stock danach. Mr. Chamberlain heulte vor Schmerz auf.
»So weit sind wir noch nicht«, sagte Mr. Hyde. »Sie wollten doch Mike hängen sehen.«
»Nein, das ist nicht wahr«, beteuerte Mr. Chamberlain. »Ich habe die Bevölkerung von Greenfield aufgerufen, sich nicht zur Selbstjustiz hinreißen zu lassen. Mein Wort darauf.«
Mr. Hyde brachte ihn mit einem Stockschlag zum Schweigen.
»Ein Gehängter bietet keinen schönen Anblick, Mr. Chamberlain«, sagte Mr. Hyde fast schulmeisterlich. »Ich möchte ihr Gesicht sehen, wenn Sie einen geliebten Menschen vom Strick baumeln sehen. Es war doch ein Schock, als sie den Kadaver Ihres Hundes vorfanden?«
Mr. Chamberlain schluchzte auf. Er zitterte am ganzen Körper.
»Mike«, sagte er und blickte zu Mr. Hyde auf, »ich war doch immer gut zu Ihnen. Erinnern Sie sich noch, als Sie mit Ihrer Tante nach Greenfield kamen? Ich war als Erster zu eurer Begrüßung in euerm Haus.«
Mr. Hyde verzog angewidert das Gesicht. »Sie sind voll Blut. Gehen Sie sich waschen!«
»Ja, ja, das werde ich tun«, sagte Mr. Chamberlain schnell. »Ich werde mich waschen.«
Er stolperte zur Badezimmertür, zögerte jedoch, sie zu öffnen. Er dachte an Maude. Warum hatte er noch nichts von ihr gehört? Plötzlich hatte er Angst, die Badezimmertür zu öffnen. Er wollte zurückweichen, aber Mr. Hyde stieß ihn vorwärts. Die Tür schwang nach innen auf. Und da sah Mr. Chamberlain seine Frau.
Der Schock war so groß, dass er nahe daran war, das Bewusstsein zu verlieren. Und so merkte er es kaum, als sich ihm von hinten ein Nylonseil um den Hals legte. Er wehrte sich nur schwach.
»Wir sind zu spät gekommen«, stellte Dorian fest, als er den Rover vor dem Fachwerkhaus anhielt.
Der Zaun war niedergerissen worden, die Beete im Garten zertrampelt. Auf der Straße lagen abgebrannte Fackeln, leere Bierdosen und zersplitterte Flaschen. Die Greenfielder hatten sich ordentlich Mut angetrunken, bevor sie sich Mike geholt hatten.
Auf der Vorderfront des Hauses war kaum eine Fensterscheibe mehr heil. Die Tür war eingetreten worden und hing schief in den Angeln.
»Da liegt jemand!«, rief Sullivan, der gleichzeitig mit Dorian aus dem Wagen gesprungen war, und deutete auf eine Gestalt, die reglos neben dem Gartenweg
Weitere Kostenlose Bücher