055 - Der Würger aus dem See
dem die großen Fischaugen hervorquollen, beinahe die
verfaulte Decke berührte.
Die langen, knochigen Arme streckten sich nach vom, die dünnen
Finger spannten sich, und die feste, grüne Haut zwischen den feinen Gliedern
wurde straff und knisterte wie das Papier eines Kinderdrachens, der von einem
Windstoß erfaßt in die Höhe getrieben wurde.
Delugans Nackenhaare sträubten sich, und siedendheiß überlief es
ihn.
Das also war das Ende.
Es war alles wie ein böser Alptraum, der nicht enden wollte.
Während der letzten Minuten war soviel auf den jungen Wissenschaftler
eingestürmt, daß er die Dinge nicht mehr einordnen konnte.
Der Saugrüssel des schauerlichen Seeungeheuers schwenkte durch die
Luft. Es ergab ein pfeifendes Geräusch. Delugan fühlte, wie die Luft vor seinem
Gesicht in Bewegung geriet.
Der schlangenförmige Kopf mit dem dick auslaufenden Rüssel war mit
einemmal ganz dicht vor ihm.
Die breiten Hände mit den Schwimmhäuten legten sich um seine
Gurgel.
Das Wesen drückte zu. Vor Delugans Augen verschwamm alles und
wurde zu einer Hölle aus Farben und Geräuschen.
Sein Bewußtsein, seine innersten Empfindungen wurden in eine
brüllende Tiefe hinabgedrückt.
Das grüne Wasserungeheuer stieß dumpfe, zufriedene Laute aus und
öffnete dann das breite Schlangenmaul, indem es den Säugrüssel anhob.
Nadelspitze Zähne, wie sie typisch für ein Haigebiß waren, kamen zum Vorschein.
Mit den großen Händen riß das Wesen die Kleidung vom Körper des
Wissenschaftlers, nahm die Ausdünstungen des reglosen, noch warmen Leichnams
wahr, und sein ungeheurer Appetit wurde geweckt.
Die spitzen Zähne schlugen in die Schultern Delugans.
Das Ungeheuer kam zu dem ersehnten Mahl.
Während der beiden letzten Tage hatte es immer und immer wieder
versucht, sich die Nahrung zu beschaffen, nachdem es festgestellt hatte, daß es
noch andere Lebewesen gab außer Fisch und Muscheln und Seetang.
Die Warmblüter lockten es, das Fleisch schmeckte. Aber es mochte
sie nur, solange sie noch frisch und warm waren. Hatte sich ihr Körper erst
einmal abgekühlt, dann ließ es sie links liegen.
Sein blutverschmiertes Fischmaul bohrte sich abermals in das warme,
dampfende Fleisch.
●
Er wußte nicht, wie ihm geschah. Die Kälte stieg von seinen Füßen
an aufwärts, und die Nässe irritierte ihn.
Seine Gedanken schwammen in einer Flut aus tiefer Zufriedenheit
und Verwirrung. Sein ganzer Körper war leicht wie eine Feder.
Larry Brent spürte, daß irgend etwas in der Tiefe seines
Bewußtseins auftauchte, das ihn warnte.
Er schwebte in tödlicher Gefahr, und er begriff sie nicht.
Stöhnend legte er den Kopf zur Seite, hörte wie aus einer endlosen
Feme das Gurgeln und Rauschen.
Wasser?
Aber das war doch kein Boot, in dem er sich befand.
Er saß doch - in seinem Wagen!
Mühsam brachte er es fertig, die Augen zu öffnen. Sein Schädel
schmerzte. Die Wirkung des Alkohols ließ seine Bewegungen und Reaktionen
langsam ablaufen. Ihm war, als müsse er ein Zentnergewicht bewegen, als er es
endlich fertigbrachte, den Oberkörper aufzurichten.
Die Lippen von X-RAY-3 bewegten sich, aber kein Laut kam aus
seiner Kehle.
Das Wasser stand ihm bis zu den Knien. Gluckernd füllte sich der
Bentley. Das Auto lag mit dem Kühler tiefer im Wasser als mit dem Kofferraum,
und die leichte Schräglage brachte es mit sich, daß der vordere Teil des
Bentley sich rascher füllte als der rückwärtige.
X-RAY-3 wischte sich mit dem rechten Handrücken über das Gesicht.
Dann kam die Erkenntnis. Wie ein Blitz flackerte es in seinem umnebelten,
berauschten Gehirn auf.
Gerome Trane! Dieser Name hatte irgendeine Bedeutung. Larry
begriff, daß er sich noch mit Trane hatte treffen wollen - aber dann war irgend
etwas dazwischengekommen.
Er ruderte mit den Armen in der Luft herum. Der
Selbsterhaltungstrieb erwachte trotz der Alkoholeinwirkung.
Die Finger des Agenten suchten nach dem Türgriff, fanden ihn aber
nicht. Obwohl Larry die Augen aufriß, nahm er kaum etwas wahr.
Undurchdringlichkeit umgab ihn - es war dunkel wie in einem Grab.
Und nur das Armaturenbrett war zu erkennen. Dunkel glühten das Tachometer und
die Zeiger der Uhr.
Das Wasser stand ihm bis an die Brust.
Die Kälte ließ seine Glieder absterben. X-RAY-3 spürte seinen
Körper nicht mehr. Nur sein pochendes Gehirn schien noch zu leben und ließ ihn
erkennen, in welcher Lage er sich befand.
In tausend Gefahren hatten sich Geist und Körper trainiert, in
tausend
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