0552 - Gefangene der bösen Träume
wollte mich anfallen! Ein riesiges Biest, sooo groß! So groß wie die ganze Liftkabine! Ich konnte mich gerade noch in meine Suite retten! Ich hätte fast einen Herzschlag erlitten! Aber das kommt davon, wenn Sie diese wahnsinnigen Krawallbrüder aufnehmen. Diese Lederleute, diese wilden Rocker mit ihren Nietenjacken und Kettensägen und…«
Terywydd seufzte. Wenn Mylady nicht ausgerechnet so stinkreich gewesen wäre und zahlreiche Bekanntschaften im Hochadel und in der Politik hätte… er hätte sie vor die Tür gesetzt.
Die Frau war einfach überdreht und sah Gespenster. Ein Wolf im Lift, der sie anfallen wollte! Wahrscheinlich geruhte Mylady drei Gläschen über den Durst getrunken zu haben.
Terywydd wußte zwar, daß ein französischer Professor mit einem zahmen Wolf abgestiegen war. Aber erstens füllte der nicht den gesamten Lift aus, und zweitens würde dieser Wolf wohl kaum unbeaufsichtigt im Lift spazieren fahren. Immerhin mußte er da erst einmal hineinkommen, und Terywydd traute selbst dem geschicktesten Vierbeiner nicht zu, die Anforderungstaste eines Aufzugs betätigen zu können. Und in der Kabine die Etagentasten… denn der Lift war weder aus dem Erdgeschoß noch aus der Etage gekommen, in der der Wolfsbesitzer logierte, sondern von oberhalb. Zumindest, wenn man Mylady Glauben schenken konnte.
Mit Sicherheit hatte Harriet Cribbs einen Vogel. Aber Terywydd konnte es sich nicht leisten, daß die Lady negative Mundpropaganda über sein Hotel verbreitete.
»Hören Sie, Mylady. Ich kümmere mich selbst um diese Angelegenheit. Ich werde alles tun, damit Sie und auch die anderen Gäste sicher sind. Bleiben Sie vorerst in Ihrer Suite, und warten Sie ab. Ich unterrichte Sie, sobald das Problem gelöst ist.«
Was bedeutete, daß er zwar sicherheitshalber mit dem Franzosen reden würde, aber keinesfalls die Polizei auf eine Halluzination hetzen wollte.
»Ich denke nicht daran, auch nur eine Minute länger als nötig in diesem Raubtierkäfig zu verweilen«, beharrte derweil Lady Harriet auf ihrem Standpunkt. »Ich reise ab! Und ich werde Sie verklagen, wenn Sie zulassen, daß diese Bestie hier ihr Unwesen treibt! Schicken Sie mir sofort Personal zum Kofferpacken!«
»Wie Sie wünschen, Mylady«, seufzte Terywydd resignierend. »Aber Sie sollten sich eine Abreise vielleicht doch noch einmal überlegen. Ich darf Ihnen versichern, daß Sie in keinem anderen Haus im Umkreis von hundert Meilen besser, komfortabler und sicherer logieren können als bei uns!«
»Sie dürfen jetzt gehen und meine Wünsche in die Tat umsetzen. Etwas hurtig, wenn ich bitten darf!«
Der Geschäftsführer verließ die Sui-Genau das hatte ihm noch gefehlt. Eine überkandidelte Lady, die Halluzinationen hatte und den Aufstand probte.
Er ging zum Lift. Drückte auf den Rufknopf.
Ein eigenartiges Knurren irritierte ihn.
Er wandte sich um.
Am Ende des Korridors lauerte ein riesiger Wolf und…
***
Die Frau ließ sich neben Clancey nieder. Neongrünes Haar, eine offene Boleroweste auf der blanken Haut und Shorts, die so knapp geschnitten waren, daß jeder Millimeter weniger den Staatsanwalt auf den Plan gerufen hätte. Sie nahm die Whiskyflasche und stellte sie außerhalb Clanceys Reichweite ab.
»Spielst du jetzt auch schon vor dem Auftritt Talsperre, und läßt dich volllaufen, Yan?« fauchte sie ihn an.
»He, ich bahne Geschäftskontakte an«, protestierte Clancey. »Das ist Zamorra, er hat ’nen Wolf.«
»Und du zu wenig Blut im Alkoholkreislauf«, konterte die Grünhaarige. »Mac, wenn dieses schwarzbärtige Individuum auch nur noch einen einzigen Tropfen Alk bekommt, bevor er seinen Auftritt hinter sich gebracht hat, werde ich dich in handliche Streifen schneiden und daraus eine Peitsche flechten!«
Mac, der Bartender, wies auf Zamorra. »Nicht meine Schuld, Miss. Der Gentleman hat Ihren Freund eingeladen.«
»Du verführst also die fünftwichtigste Figur unserer Band zum Saufen?« fuhr die Grünhaarige Zamorra an. »Ende des Trankopfers. Unser Held stellt sich jetzt unter die Eisdusche, tankt ’ne halbe Kanne Kaffee und macht sich fit für den Auftritt! Verstanden, Yan?«
»Geh zur Heilsarmee oder zum Teufel«, fauchte Clancey die gutgebaute Grünhaarige an. »Dann bring doch du das Geschäft mit diesem… äh… Gentleman zu Ende! Den Wolf brauchen wir in der Show.«
»Ach, hat Bo jetzt auch noch einen Wolf in die Story eingebaut? Der und Imogen sollen sich um meinen Troll kümmern, verdammt! Scher dich unter
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