0552 - Gefangene der bösen Träume
die Dusche, und sieh zu, daß du nüchtern wirst! Mann, ich warte nur darauf, daß du die Show verpatzt, weil du dir den Verstand aus dem Hirn gesoffen hast! Verzupf dich!«
Sie griff energisch zu, riß ihn zurück.
Er kippte mitsamt dem Barhocker um. Fenrir erhob sich bedächtig aus seinem »Versteck« und legte die Ohren an.
Clancey richtete sich wieder auf. Den Hocker ließ er liegen.
»Wenn ich nicht wüßte, daß es dir wirklich um die Show geht, bekämst du jetzt eine Abreibung, wie du sie nie mehr vergessen würdest«, grollte er. »Du wirst es nie erleben, daß ich meine Auftritte verpatze!«
Er holte aus, vollendete die Schlagbewegung aber nicht, obgleich oder weil die Grünhaarige sich duckte - oder vielleicht, weil Zamorra und der Barkeeper Mac zusahen.
Clancey stapfte davon. Fenrir begab sich wieder in Ruheposition.
»Wer sind Sie, Zamorra?« fragte die in reizvoller Sparsamkeit »bekleidete« Frau. »Ich bin Sabella.«
»Und Bo? Wer ist -das?« wollte Zamorra wissen. »Clancey hat ihn mehrfach erwähnt, Sie auch.«
»Bo ist unser Dichter, unser Songwriter und Geschichtenerzähler. Der Zauberer, wenn Sie so wollen. Und was geht Sie das an?«
Zamorra zeigte ihr die Zeitungsartikel.
»Oh, bullshit«, murmelte Sabella. »Auch das noch… Ich hab’s geahnt…«
»Was geahnt?« hakte Zamorra nach, der seinerseits wiederum ahnte, in dieser freizügig gekleideten Frau eine bessere Informationsquelle gefunden zu haben, als es Clancey, der Whisky-Fan, war.
»Daß Bo irgendwann mal die Kontrolle verliert…«
***
»Sieht ziemlich übel aus, nicht?« fragte Chief Constable Murdock leise.
Inspector Caledfryn nickte und sah den Polizeiarzt fragend an. Der war immer noch ein bißchen grün im Gesicht, was bei einem Mann wie Doc Tynant etwas heißen wollte.
»Halten Sie mich ruhig für verrückt«, sagte er. »Aber alles sieht danach aus, als wäre der Mann von einem großen Raubtier angefallen worden. Ich will der Autopsie nicht vorgreifen und hoffe, daß ich sie einem Kollegen aufs Auge drücken kann, aber… die Verletzungen sind typisch.«
»Was für ein Raubtier?« hakte Caledfryn nach. »Sie sehen mich tatsächlich stark geneigt, Sie für verrückt zu halten. Wie soll ein Raubtier in dieses Hotel kommen?«
»Meine Güte, warum fragen Sie ausgerechnet mich das? Vielleicht hat einer der Gäste das liebe Tierlein importiert.«
»Muß aber sehr groß gewesen sein, um das hier anzurichten«, sagte Murdock. Er deutete in die Runde, auf das überall verspritzte Blut. »Hier dürfte eine größere Renovierung anstehen. Ich glaube kaum, daß die Gäste einen solchen Korridor als besonders anheimelnd betrachten werden. Vor allem nicht in einem Hotel dieser Güteklasse.«
»Werden Sie nicht zynisch! - Wer war der Tote überhaupt?« fragte Doc Tynant.
»Craig Terywydd, der Geschäftsführer«, erwiderte Caledfryn.
»Das sieht aber ziemlich übel aus, nicht?« bemerkte Murdock. »Ich meine, es wäre schlimmer gewesen, wenn es einen Gast erwischt hätte, aber ausgerechnet den Geschäftsführer…«
»Ausgerechnet einen Menschen, Sie Sonntagskind«, fuhr Caledfryn ihn an. »Es hätte auch Sie treffen können.«
»Und es kann immer noch jederzeit einen von uns treffen, wenn sich das Raubtier noch im Haus befindet. Was schlagen Sie vor, Sir? Nicht nur diese Etage, sondern das ganze Haus sperren? Alle Menschen evakuieren? Einen Großwildjäger…«
»Hören Sie auf damit!« verlangte Caledfryn.
»Sir, ich habe nicht vor, eine Safari zu organisieren. Das mit dem Großwildjäger meine ich sehr ernst. Wenn ein großes Raubtier hier herumläuft, brauchen wir jemanden, der sich damit auskennt.«
»Wir werden eher jemanden brauchen, der sich mit dem Beruhigen von gutzahlenden Gästen auskennt«, murmelte Caledfryn.
Jemand breitete eine Decke über dem toten Geschäftsführer aus. Er war von einem Hotelpagen gefunden worden, der kam, um einer Lady beim Packen zu helfen. Sie wollte dringend abreisen. Als der Page aus dem Lift trat, wäre er fast über den davorliegenden Toten gestolpert. Der 17jährige Bursche stand unter einem Schock.
Die Lady nicht. Sie hatte etwas von »ich hab’s doch gesagt« und »hier ist man seines Lebens nicht mehr sicher --ich reise sofort ab« hervorgesprudelt und war rasch wieder in ihrer Suite untergetaucht. Dem Anschein nach hatte sie mit dem Geschäftsführer noch kurz vor seiner Ermordung gesprochen.
Caledfryn ging von einem Mord aus, an ein großes Raubtier glaubte er
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