0552 - Gefangene der bösen Träume
sehen konnte, sich schon am Nachmittag zu betrinken.
Immerhin zeigte sich Clancey als recht trinkfest. Obgleich er innerhalb von zehn Minuten zwei gutgefüllte Gläser niedertrank, zeigte er keinerlei Ausfallerscheinungen. Er schien gut im Training zu sein - vermutlich würde es ihm seine Leber in absehbarer Zeit »danken«. Mal ganz abgesehen von den Gehirnzellen, von denen sich bei jedem Schluck ein paar aus dem Millionenfundus verabschiedeten.
Fenrir zeigte sich von der haushündischen Seite, hatte sich unter einem Tisch verkrochen und schien vor sich hinzudösen. Aber Zamorra wußte, daß der Wolf hellwach war und versuchte, Clancey telepathisch auszuloten.
Clancey erläuterte das Konzept der Konzertveranstaltung. »… Und deshalb können wir auch ständig neue Ideen einbauen, weil alles wandelbar ist. Das mit dem Wolf wäre ein echter Gag, weißt du? Kann der ein paar Tricks? Ich meine, es reicht nicht aus, daß er nur durch die Landschaft pilgert oder vor der Kamera Männchen macht. Da muß schon mehr kommen.«
Er war vertraulich geworden, und es fehlte nicht viel, daß er den Arm um Zamorras Schultern legte. Der Dämonenjäger hätte sich das allerdings verbeten.
Ihm ging es ja auch nicht darum, mit diesem Yan Clancey Brüderschaft zu trinken, sondern etwas über ihn und die Show zu erfahren. Und vor allem, was mit diesem Drachen war, der als leuchtende Erscheinung am Nachthimmel gesehen worden sein sollte.
»Natürlich haben wir einen Drachen in dem Rockmärchen«, erklärte Claneey weitschweifig. »Das ist ’n tolles Ding. Imogen hat ihn im Computer gezeichnet und aufgebaut, und der bewegt sich richtig in der Filmlandschaft. Bo hat ihr nur gesagt, wie er aussehen und was er tun soll. Imogen ist ein Genie; ich werd’s nie begreifen, wie sie so was hinkriegt.«
»Ein Computer-Drache?« hakte Zamorra nach.
»Sage ich doch. Die meisten Weser entstehen in Imogens Zombie.«
»Zombie?«
»Sie nennt ihn Compy, ich nenne ihn Zombie. Klingt fast gleich, wie?« Clancey lachte auf. »Bo sagt ihr, was er haben will, gibt ihr die Texte, und sie macht Bilder draus. - Sie komponiert auch einige der Melodien. - Dann wird die Computer-Animation irgendwie zum vorführbaren Film umgebastelt. Keine Ahnung, wie das funktioniert, muß ich auch nicht wissen, das ist ihr Job. Meiner ist es, so viele Instrumente wie möglich zu beherrschen. Hab mir jetzt eine Balalaika gekauft, das ist so ’n russisches Zupf-Ding. Haben Sie ’ne Ahnung, wie schwierig das ist, ’ne Balalaika richtig zu spielen? Aber ich denke, in ein paar Monaten habe ich sie im Griff. Wenigstens halbwegs. Die Russen sagen, man muß ein ganzes Leben üben, um die Balalaika richtig spielen zu können, aber leider habe ich kein ganzes Leben mehr Zeit.«
Zamorra nickte und deutete auf die Whiskyflasche, deren Pegel schon rapide gesunken war. »Je betrunkener, desto kürzer«, sagte er.
»Unsinn. Das ist mein Lebenselixir«, protestierte Clancey. »Kannst du als Franzose natürlich nicht wissen. Whisky heißt auf Schottisch uisge beatha. Heißt Lebenswasser. Davon stirbt man nicht, davon wird man eher unsterblich. Hemingway hat seine besten Werke im Vollrausch geschrieben, und ich brauche dieses Lebenswasser für meine Musik.« Er schenkte wieder nach.
»Wie Medizin, nicht?« sagte Zamorra. »Aber Medizin in Überdosis wird zum tödlichen Gift.«
»Geh mir weg mit Medizin und Medizinmännern. Die lügen mir nur vor, wie gefährlich meine Lebensweise sei. Okay, Mann, wir sprachen von deinem Wolf. Was kann das Viech alles? He, dich kennt er doch, dir gehorcht er. Könntest du mit ihm so eine wilde Balgerei inszenieren, die richtig gefährlich aussieht? Natürlich kostümiert, als Monster oder Dämon oder sonstwas.«
»Ungern«, bemerkte Zamorra. Irgendwie fühlte er sich bei dem Gedanken unbehaglich, auf einer Bühnenleinwand anläßlich einer Rockshow vorgeführt zu werden. »Können Sie das nicht per Computer-Animation inszenieren? Den Drachen haben Sie doch auch per Computer…«
»Wirkt nicht so echt. Ist zwar alles ganz schön, ganz fantastisch, aber Imogen hat natürlich nicht die Jurassic Park-Technik zur Verfügung. Das wäre viel zu teuer.«
»Wie arbeiten Sie?« hakte Zamorra nach. »Mit Holografien? Irgendwie muß dieser Drache ja an den Nachthimmel gekommen sein.«
»Hirngespinste, die Leute haben sich was eingebildet! Sind aus unserem Konzert gekommen und haben geglaubt, irgendwas zu sehen, weil sie es vielleicht sehen wollten!
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