0564 - Die Gräber seiner Ahnen
um und stellte fest, daß die kniehoch dahinschwebenden Nebelschwaden einen bestimmten Weg nahmen. Sie glitten lautlos den Hang hinab und trieben, wie Suko noch soeben erkennen konnte, in eine weite Rechtskurve hinein, in Richtung Alet-les-Bains.
Sie würden den Ort mit ihrer Lautlosigkeit regelrecht überfallen und dort auf John Sinclair treffen.
Douse war schon weitergegangen, ohne sich um den Inspektor zu kümmern. Bis zum Ende des Friedhofs war es nicht mehr weit, dort standen die niedrigen Bäume als Grenze, die aber jeder, der wollte, überwinden konnte.
Douse tauchte als erste in den kleinen Wald, dessen Inneres ein geheimnisvolles Flüstern abzugeben schien, das Suko entgegenwehte.
Aber nicht die Bäume hatten geflüstert, es waren die Stimmen der dort im Wald versteckten Menschen gewesen, die die Frau begrüßten.
Suko ging langsamer auf die Lücke zu. Eine innere Unruhe hatte ihn erfaßt. Seiner Meinung nach hatte Douse zu pessimistisch reagiert, stets vom Schicksal gesprochen, sich aber nie dagegen angestemmt. Wollte sie das möglicherweise anderen überlassen? Vielleicht Suko und seinem Freund John Sinclair?
Das war natürlich möglich, und so war der Inspektor neugierig darauf, was ihm die Bewohner von Alet-les-Bains zu sagen hatten.
Der kleine Wald schluckte auch ihn, nur war er längst nicht so leer und verlassen, wie es den Anschein gehabt hatte.
Er lebte.
Die Menschen saßen auf der weichen Erde und standen an Baumstämme gelehnt. Mütter hockten mit ihren Kindern zusammen, die Väter standen ebenfalls bei ihren Familien. Die Alten waren da, die Geschäftsleute und Wirte.
Niemand fehlte.
Stumm schauten die Menschen den Chinesen an. Zwischen den Bäumen herrschte ein gewisses Dämmerlicht, das sich über die Gestalten der Wartenden ausgebreitet hatte. So glichen deren Gesichter mehr hellen Flecken in dieser Landschaft aus Licht und Düsterheit.
Suko nickte in die Runde. Er versuchte zu lächeln, es fiel ihm schwer. Dann suchte er nach Worten, hob die Schultern und sagte:
»Euer Mitbewohnter Marc de Gache hat mich und meinen Freund nach Alet-les-Bains geholt. Ich bin gekommen, ich habe mich dem Ruf ebensowenig verschlossen wir John Sinclair, aber ich weiß nicht, was hier alles geschehen ist und noch geschehen wird. De Gache hat davon gesprochen, daß der Abbé zu einem Mörder geworden ist. Er soll einen Menschen erschossen haben, was ich nicht glauben kann, denn er ist blind. Ich…«
»Er hat ihn erschossen!«
Die Antwort war aus dem Hintergrund aufgeklungen. Ein Mann schob sich hervor. Er war noch jung und wirkte nervös. Fahrig strich er durch sein dunkelblondes Haar. Den mageren Oberkörper hatte er in eine Windjacke eingewickelt. Sein Blick flatterte. Etwas stotternd sprach er Suko an. »Ich habe gesehen, wie der Abbé schoß. Ich habe ihn genau erkannt. Es gibt keinen Zweifel.«
Suko streckte den Arm vor. »Der Abbé ist blind. Haben Sie das vergessen?«
»Nein! Er war es trotzdem.«
»Gut, ich muß Ihnen glauben. Aber da ist noch etwas, das ich nicht verstehe. Ich habe das offene Grab auf dem Friedhof gesehen und hörte, daß es für den Abbé sein soll. Wie kann das möglich sein? Weshalb will der Abbé…?«
»Er muß es tun!«
Zum erstenmal nach seinem Eintritt in den Wald bekam Suko Kontakt mit den Templern. Sie unterschieden sich von den übrigen Bewohnern wegen ihrer dunklen Kleidung.
Sie alle waren versammelt und schoben sich in den Vordergrund.
Ein grauhaariger, schon älterer Mann wurde von dem Zeugen festgehalten. »Du hast mich doch verstanden? Du hast alles in die Wege geleitet, bitte, das mußt du ihm sagen.«
»Natürlich, Chatron.«
»Ich grüße dich, Suko«, sagte der Grauhaarige, der Maurice de Volta hieß, wie Suko noch wußte.
»Ja, wir sind gekommen.«
De Volta nahm Sukos Hände. »Es war wichtig, wir wußten, daß wir uns auf euch verlassen können. Wir sind sehr froh deshalb. Unser Beten hat sich gelohnt.«
»Habt ihr für den Abbé gebetet?«
Maurice de Volta nickte. Seine Hände ließen Suko los. »Ja, auch für ihn, aber auch dafür, daß ihr früh genug hier erscheinen werdet. Wir haben de Gache losgeschickt, der…«
»Leider ermordet wurde!« erklärte Suko.
De Volta nickte. »Wir haben damit rechnen müssen; das Böse ist einfach zu stark. Selbst der Abbé muß davor resigniert haben. Wir wußten uns keinen Rat mehr, als euch zu holen. Ist John Sinclair auch in der Nähe oder…?«
»Er befindet sich in Alet-les-Bains. Ich wollte
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