0564 - Die Gräber seiner Ahnen
sah Bewegungen vor mir, ohne genau erkennen zu können, um was es sich dabei handelte. Erst als die Magie des Lichts zusammenbrach, konnte ich herausfinden, was sich verändert hatte.
Im Prinzip nichts. Es war alles noch so wie zuvor. Nur waren die Geräusche verstummt. Kein Schreien mehr, keine Schritte, kein Flüstern. Alet-les-Bains lag in tiefer Stille.
Aber weit hinten, wo der Hang abschloß und die hohen Felsen begannen, wetterleuchtete es. Fahles Licht, das sich zu Blitzen spaltete, wischte zitternd über das Gestein hinweg, drehte sich, zeichnete Figuren und huschte in die Spalten hinein.
Es war das Licht meines Kreuzes, und es hatte dort zwischen den Felsen ein Ziel gefunden.
Ich wußte, daß sich in einem schmalen Canyon die Kathedrale der Angst befand, wie sie einmal genannt worden war. Das stimmte nicht mehr. Wir hatten sie vom Bösen befreit, und tief im Innern der Kathedrale lag als Hüter und Wächter ein silbernes Skelett.
Die Überreste Hector de Valois’, jenes Templers, der in mir wiedergeboren war.
Ich konnte nach meinen Beobachtungen davon ausgehen, daß ihn meine Botschaft erreicht hatte. Irgendwann würde ich etwas davon hören und vielleicht sehen.
Das Licht verschwand, als wäre es in das harte Gestein der Felsen hineingetaucht.
Nun lag wieder der normale Himmel über der Berglandschaft.
Hellgrau mit dunkleren Streifen, die wie lange Zungen über das weite Firmament geschoben wurden.
Ich erinnerte mich an die Geräusche, an das Schlagen der Türen oder Fenster, das alles hatte ich schließlich gehört, als die Magie des Kreuzes stand. Und davon mußte auch etwas zu sehen sein. Eine andere Möglichkeit gab es für mich einfach nicht.
Die fremden, nicht sichtbaren Kräfte ließen mich in Ruhe. Ich schloß den Wagen ab, ließ den Dunklen Gral ebenfalls dort und begab mich auf die Suche.
Sie glich mehr einem Inspektionsgang, denn nach einem bestimmten Ziel wollte ich nicht forschen. Am Haus der Templer hatte sich die Außentür bewegt, als wäre das Gebäude von einer bestimmten Person betreten worden. Ich nahm diesen Weg ebenfalls.
Abermals hörte ich nur meine eigenen Schritte, die die Stille durchbrachen.
Spaltbreit stand die Tür offen. Bevor ich in das Haus ging, leuchtete ich hinein.
Ich entdeckte nichts, was mein Mißtrauen hätte steigern können.
Leer lag der Flur vor mir.
Ich schob mich hinein.
Die Tür hatte sich nicht ohne Grund bewegt. Irgendeine Kraft mußte sich dafür verantwortlich zeigen.
Sehr weit kam ich nicht. Denn dort, wo sich die Treppe befand, tropfte etwas herunter.
Nur eine halbe Armlänge von mir entfernt, landete es auf dem Boden, wo es zerplatzte.
Es waren tatsächlich Schleimklumpen, die oben am Geländer hingen, auseinanderflossen und in die Tiefe fielen.
Ich schlug einen Bogen, ging bis zur Treppe und leuchtete die Stufen hoch.
Etwas streckte zwischen den Pfosten des Geländers. Um wen oder was es sich dabei handelte, konnte ich nicht genau erkennen. Jedenfalls war es kein menschliches Wesen, mehr ein klumpiges Gebilde, das sich allmählich auflöste.
Ich ging trotzdem hin. Meine Tritte vibrierten auf den Treppenstufen. Neben dem Gebilde blieb ich stehen.
War es ein Ghoul?
Nein, dann hätte es gestunken. Es war einfach heller Schleim, der sich um die Pfosten gedreht hatte, allerdings weniger dicht war und mich mehr an Watte erinnerte.
Plasma…
Ja, das genau war die Lösung. Als ich daran dachte, wurde mir heiß und kalt zugleich, denn durch meine weiße Kreuzmagie hatte ich es verstanden, die eigentlich unsichtbaren Totengeister sichtbar zu machen. Als Plasmaklumpen hingen sie fest.
Ich ging weiter die Stufen hoch und fand oben im Flur einen weiteren Beweis.
Wenn alles so zutraf wie hier, dann konnte ich davon ausgehen, daß im gesamten Ort diese materialisierten Geister zu finden waren, die Alet-les-Bains überfallen hatten.
Woher waren sie gekommen?
Wie hatte Marc de Gache noch gesagt? Der Abbé hatte sich vor einem Friedhof gefürchtet. Wahrscheinlich nicht vor ihm selbst, sondern vor denjenigen, die auf dem Totenacker ihre letzte Ruhestätte gefunden hatten. Den Toten und damit auch den Geistern der Toten, die meiner Ansicht nach das Dorf überfallen hatten.
Sie waren in die Magie des Kreuzes hineingeraten. Jetzt sah ich auch eine gewisse Logik, wobei das Rätsel des brillenlosen Gesichts noch immer nicht geklärt war.
Auch hier wollte ich mehr erfahren. Wenn sich die Toten gezeigt hatten, würde dieses Gesicht auch nicht
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