0564 - Die Gräber seiner Ahnen
lange verborgen bleiben, auch wenn es dem Abbé gehörte.
Ich verließ das Haus wieder. Der Wagen stand noch immer am Fleck, um ihn brauchte ich mich nicht zu kümmern. Statt dessen durchsuchte ich Häuser in der Nähe.
Es war so, wie ich angenommen hatte. Überall fand ich die Plasmawolken. Manche bildeten regelrechte Inseln auf dem Boden, andere wiederum klebten auf Stühlen, an Schränken oder auf Sesseln und Couchen. Sogar in einer Badewanne hatte sich etwas von diesem verfluchten Zeug ausgebreitet.
Die Masse hatte zuvor nur aus Geist bestanden, sie war durch die Magie meines Kreuzes zu Materie geworden, wobei ich mich fragte, wo sie als Geist hergekommen waren.
Darauf gab es nur eine Antwort.
Sie mußten den Friedhof verlassen haben, über dem der Kopf geschwebt hatte. Und zum Friedhof war Suko unterwegs gewesen.
Normalerweise hätte er zurück sein müssen. Daß er es nicht war, bereitete mir große Sorgen, und ich spürte auf meiner Haut ein unangenehmes Kribbeln.
Wahrscheinlich brauchte ich nicht mehr hier in Alet-les-Bains zu bleiben, der Friedhof war nun wichtiger.
Mein Blick glitt hinein in eine Gasse. Sie führte schräg vom Haus der Templer weg. Wir waren sie schon mehrmals gegangen. Durch sie konnten wir die Felsenkathedrale erreichen.
In der Gasse bewegte sich etwas…
Durch das fahle Licht glaubte ich an eine Täuschung. Es irritierte mich ein wenig.
Sekunden später sah ich, daß ich mich nicht getäuscht hatte. Es kam jemand die Gasse hinan, und diese Person ging mit sehr gemächlichen und steifen Schritten.
Obgleich ich damit gerechnet hatte, merkte ich doch, wie sich auf meinem Rücken die Haut zusammenzog. Der Schauer wollte einfach nicht weichen. Mein Hals wuchs zu, ich räusperte mich frei und streckte dem silbernen Skelett Hector de Valois’ meinen Arm zur Begrüßung entgegen…
***
Es war ein schauerlicher und gleichzeitig faszinierender sowie unvergeßlicher Anblick, wie das silberne Skelett die Gasse durchschritt und schon fast deren Ende erreicht hatte.
Auf dem matt leuchtenden Gerippe lag das Silber, wie mit einem Pinsel aufgetragen. Er schimmerte ein wenig, wenn der Knöcherne den Schatten verließ und in die Helligkeit hineinschritt.
Angst bekam ich nicht davor, obwohl der Knochenschädel zum Fürchten aussah.
Es blieb stehen, senkte den Kopf. Leer waren seine Augenhöhlen nicht. Tief und grenzenlos kamen sie mir vor.
Aber weit unten, da schimmerte ein geheimnisvolles Licht. Es besaß den Glanz der Kugel, die zusammen mit dem Kelch des Feuers den Dunklen Gral bildete.
Der Knöcherne war nicht ohne eine Gabe erschienen. Auf der Fläche seiner linken Hand lag ein sehr wertvoller Gegenstand, das Siegel der Templer. Einen Stein, der zu ihm gehörte, wie das Kreuz zu mir. Er hatte mitgeholfen, die Kathedrale von der Macht Baphomets zu befreien, und er würde mir auch helfen, diesen Fall zu lösen.
Wir konnten miteinander sprechen. Es geschah auch auf telepathischem Wege, doch zuvor nahm ein anderes Ereignis meine Aufmerksamkeit in Anspruch.
Dunkelrotes Licht erfüllte das Innere meines Autos. Die Kugel strahlte es ab, denn auch sie, ein Teil des Grals, spürte die Nähe der Person, die einmal den Gral besessen hatte.
Der Gral spürte genau die Nähe des Skeletts. Damals, als ich die Kathedrale kennenlernte, da wußte noch keiner von uns, um wen oder was es sich bei dem Dunklen Gral handelte. Jetzt aber war alles anders geworden.
»Du hast mich gerufen? Ich spürte die Macht deines Kreuzes. Das Licht erfüllte mein Grab; ich konnte nicht mehr ruhig bleiben und mußte ihm folgen.«
»Ich weiß nicht, ob ich es war, mein Kreuz oder der Gral, aber ich freue mich, daß du gekommen bist. Fremde Mächte haben die Kontrolle übernommen. Es stimmt nichts mehr in diesem Ort. Die Menschen haben ihn verlassen, ein Templer wurde zum Mörder. Geister strömten in den Ort, die ruhelosen Seelen der Toten…«
»Ja, sie kamen aus den Gräbern seiner Ahnen.«
»Die beim Abbé?«
»Sie waren dort begraben. Der alte Friedhof gehörte ihnen allein, den Blochs.«
»Wer waren sie?«
»Eine berühmte Familie im Süden dieses Landes. Unter ihnen befanden sich Hexen, Zauberer, Magier, Heilige und Mörder. Die Blochs haben Geschichte geschrieben. Im Bösen als auch im Guten. Diejenigen, die dem Guten dienten, haben ihre ewige Ruhe finden können, aber die anderen strömten aus den Gräbern, um das Grauen zu verbreiten. Sie haben dafür gesorgt, daß die Menschen fliehen mußten. Sie
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