0565 - Der Tod in seinen Augen
wir in den Keller?«
»Ja. Mr. Sinclair.«
»Weshalb denn das?«
»Weil Mr. Tigana dort sein Büro besitzt. Er hat es bewußt so gemacht, damit die anderen Räume nur unseren Patienten zur Verfügung gestellt werden können. Das ist auch wieder eine Geste, die Sie bei einem anderen Klinikchef kaum finden werden.«
»Da haben Sie wohl recht.«
Nach meiner Antwort stoppte der Fahrstuhl seidenweich. Die Tür öffnete sich automatisch.
Wir betraten einen breiten Gang. Kate Finley führte mich nach links, auf die einzige Tür zu.
Ich blieb stehen und sah, daß Kate den Zeigefinger auf einen beleuchteten Knopf preßte. Ob sie damit ein Signal gab, war nicht festzustellen, jedenfalls schwang die Tür vor unseren Augen auf. Sie glitt fast lautlos auf einer Schiene.
Das war ziemlich ungewöhnlich. Ich ließ Kate den Vortritt. »Nach Ihnen, bitte.«
Sie ging in den Raum, in dem ich ein Büro vermutete. Ein Irrtum, wie sich sehr bald herausstellte. Es war kein Büro, dafür öffnete sich ein ziemlich großer Raum, mehr lang als breit und in einem Halbdunkel liegend. Er war ungewöhnlich, denn das Licht sickerte aus Holzleisten, die an beiden Seiten dicht unterhalb der Decke angebracht worden waren. Es strömte zu Boden und verteilte sich dort wie ein Schleier, bevor der Untergrund es aufsaugte.
Kate Finley lachte, als sie sah, wie vorsichtig ich diesen Kellerraum betrat.
»Was ist? Haben Sie Angst?«
»Das nicht gerade, aber ein solches Büro hatte ich mir nicht vorgestellt.«
»So reagieren viele Besucher.«
Hinter uns fiel die Tür automatisch zu. Kate war nach links gegangen. Ich folgte ihr dabei und erkannte tatsächlich so etwas wie einen Schreibtisch oder eine Barriere, die die gesamte Breite des Kellerraumes einnahm.
Dahinter hob sich eine Gestalt ab.
Wer sie war, konnte ich nur ahnen. Jedenfalls stand sie nicht, sondern saß.
Kate sprach sie an. »Hier ist der Besucher, von dem ich Ihnen berichtet habe, Mr. Tigana.«
»Ah ja, danke.«
Ich lauschte dem Klang der Stimme nach. Das Echo war in der grauen Düsternis verrollt. Gehört hatte ich diese Stimme noch nie, sympathisch war sie mir auch nicht gerade, was nicht an dem fremdländisch klingenden Akzent lag. Ich glaubte vielmehr, ein Lauern aus der Stimme hervorgehört zu haben.
»Bitte, treten Sie doch näher, Mister…«
»Sinclair, John Sinclair.«
»Aha ja. Meinen Namen werden Sie ja kennen.« Er lachte leise.
»Was verschafft mir das Vergnügen Ihres Besuchs, Sir?«
Ich hatte ihm eine ehrliche Antwort geben wollen, aber meine Stimme versagte. Da war etwas, das mir überhaupt nicht gefiel. Eine Aura der Gefahr.
»Nun ja, ich möchte gern mit Ihnen reden, Mr. Tigana. Nehmen Sie es bitte nicht persönlich. Ich hörte, daß Sie Ihr Augenlicht verloren haben. Ich kann sehen, allerdings nicht im Dunkeln. Wenn ich mit einem Menschen rede, möchte ich ihn gern von Angesicht zu Angesicht erkennen können. Ist das zuviel verlangt?«
»Keinesfalls, Mr. Sinclair. Ich muß mich entschuldigen. Wenn ich mit meinen blinden Freunden spreche, kann ich zumeist auf das Licht verzichten. Die Sehenden in diesem Hause haben sich ebenfalls daran gewöhnt. Moment bitte.«
Ich war mittlerweile so nah an ihn herangekommen, daß ich erkennen konnte, wie er sich bewegte. Seinen linken Arm streckte er aus. Die Hand kroch dabei über die Platte des breiten Schreibtischs und fand einen bestimmten Knopf.
Den drückte er.
Auf dem Tisch stand eine Lampe. Sie besaß einen zylinderartigen Fuß und einen viereckigen Schirm aus Kunststoff, der an seinem äußeren Ende schwarz eingefärbt war, damit das Licht nicht nach vorn, sondern nur nach unten strömen und sich dort verteilen konnte. Es reichte aus, um die Gestalt des Mannes aus dem Finstern hervorzuholen.
Jorge Tigana besaß einen sehr kurzen Bürstenhaarschnitt, ein kantiges Gesicht, trug eine dunkle Brille vor seinen Augen und wirkte überhaupt nicht schwach. Vielleicht trugen die breiten Schultern dazu bei, über die sich eine Jacke spannte.
Das alles nahm ich nur am Rande wahr.
Mich interessierte seine Brille. Und genau die besaß ein weißes Gestell.
Für mich war der Fall klar. Jorge Tigana war genau die Person, in deren Brillengläsern ich die Totenschädel erkannt hatte, kurz bevor mich die Bewußtlosigkeit schluckte…
***
Tod oder Leben!
Eine andere Alternative gab es für Suko nicht. Deshalb hatte er so blitzartig reagiert und das Telefon auf den Kerl zugeschleudert. Aus dem Handgelenk geworfen, aber
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