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0566 - Hexenreich

0566 - Hexenreich

Titel: 0566 - Hexenreich Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jason Dark
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mir nicht, an ihrer Gestalt etwas Hexenhaftes oder Dämonisches zu erkennen. Sie ließ sich eher mit einer Königin vergleichen, die aus den Tiefen einer anderen Zeit in die Gegenwart hineingestoßen war.
    Es war still im Zimmer, bis auf unser Atmen. Schließlich preßte Sheila einen Satz hervor. »Das sie es wagt«, keuchte sie. »Daß sie es tatsächlich wagt, noch einmal zurückzukehren, wo sie doch Bill verschleppt hat. John, das ist…«
    »Warte es ab, Sheila, bitte warte es ab.«
    Das Reittier bewegte seinen Kopf. Es besaß einen mächtigen Schädel, ebenso wuchtig wie das auf dem Kopf wachsende Geweih. Seidenmatt schimmerte das weiße Fell des Hirsches. Ich konzentrierte mich auf dessen Augen und glaubte, darin Klugheit lesen zu können. Dieser Blick schien uns sezieren zu wollen.
    Oft genug war über den weißen Hirsch geschrieben und berichtet worden. Besonders von Jägern in früherer Zeit, die ihn angeblich gesehen haben wollten.
    Bisher hatte ich die Existenz des Hirsches in das Reich der Fabel verbannt, nun mußte ich einfach anders darüber denken, da ich ihn mit eigenen Augen sah.
    Das Tier rührte sich. Ein Nicken zeigte an, daß es sich in Bewegung setzen wollte. Vielleicht hatte die Hexe einen leichten Schenkeldruck ausgeübt, ich wußte es nicht. Ich war nur gespannt, wie sie und der Hirsch ins Haus gelangen wollten.
    Sein Gehen glich eher einem Schreiten. Majestätisch bewegte er sich voran. Dieser stolze Schritt war sonst nur bei edlen Reitpferden zu beobachten.
    Sheila drehte den Kopf und schaute mich an. »Es sieht so aus, als wollte sie zu mir kommen.«
    »Das meine ich auch.«
    »Was soll ich tun? Öffnen?«
    Ich schüttelte leicht den Kopf. »Nein, ich würde damit zunächst einmal warten.«
    »Aber sie will…«
    »Laß mal«, sagte ich leise, denn der Hirsch und seine Reiterin waren vor der Terrassentür stehengeblieben. Der Kopf des Tieres berührte beinahe die Scheibe.
    Wir warteten darauf, was die Person unternehmen würde. Sie gab uns kein Zeichen, die Tür zu öffnen. Statt dessen streckte sie den Arm so weit vor, daß er noch über die Länge des Hirschkopfes hinausreichte und ihre Hand die Scheibe berühren konnte.
    Es war nur ein momentaner Kontakt, der völlig ausreichte. Licht entstand. Ein grüner, wolkenartiger Schein floß von außen her in den Wohnraum. Er löste die Grenzen auf. Licht schmolz das Glas, räumte Widerstände zur Seite und gab den Weg frei.
    Sie ritt hinein.
    Phantomhaft, lautlos, und hinter ihr schloß sich die Scheibe wieder, als wäre nichts geschehen.
    Ein magisches Phänomen, das auch mir fremd war. Aber ich hatte genau den Lichtschein beobachtet. Da war mir seine grüne Farbe aufgefallen.
    Die Farbe Grün deutete auf ein bestimmtes Land hin, in eine bestimmte Richtung – Aibon.
    Sheila faßte nach meiner Hand. Ihre war kalt und zittrig. Aus dem Zimmer des Jungen vernahmen wir ein Heulen. Natürlich hatte auch Nadine gemerkt, daß etwas verändert worden war. Die Wölfin gehörte zu den sehr sensiblen Tieren, und sie hielt es zwischen ihren Wänden nicht mehr. Aus dem Flur vernahmen wir das Tappen der Pfoten. Als sie an der Tür erschien, stoppten wir sie.
    »Bleib dort stehen, Nadine!« rief ich ihr zu.
    Auch Sheila wollte, daß sie nicht weiterkam, und Nadine gehorchte tatsächlich. Sie hockte sich langsam nieder. Margareta aber lächelte ihr zu und sprach sie indirekt an.
    »Ein schönes Tier bist du. Und so ungewöhnlich. Zwei Dinge vereinigen sich in dir. Gestalt und Geist, aber beide sind grundverschieden. Ich spüre, daß du die Seele eines Menschen besitzt, die durch einen unglückseligen Fluch in den Wolfskörper gelangt ist…«
    »Bist du gekommen, um uns das zu sagen?« fragte ich. »Das haben wir auch so gewußt.«
    »Stimmt.« Sie blieb weiterhin auf ihrem Tier sitzen und mußte sich etwas bücken, um nicht mit dem Kopf gegen die Zimmerdecke zu stoßen. Da wir standen, kam sie uns ungewöhnlich groß vor, und sie schaute aus ihren dunklen Augen auf uns herab.
    »Nein, das ist nicht der Grund meines Erscheinens.«
    »Welcher dann?«
    »Wo ist mein Mann?« rief Sheila. Sie löste ihre Hand aus der meinen und wollte auf Margareta zulaufen, aber ich hielt sie fest.
    »Nicht, Sheila, bleib hier!«
    Tief holte sie Luft, ballte ihre Hände zu Fäusten und beherrschte sich nur mühsam.
    Margareta lächelte. »Er und Jane sind in Sicherheit«, erklärte sie mit leiser Stimme.
    »Wo?« fragte ich.
    »In Aibon!«
    Ich nickte ihr zu. »Das hatte ich

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